Meade Glenn
redet und wen er besucht.«
»Soll ich das machen?«
»Das wäre mir lieb, Iwan. Ich will es nicht an die große Glocke hängen. Andernfalls müßte ich meine eigenen Leute verständigen, und das könnte Probleme mit der Deutschen Sektion geben. Bis sie eingewiesen sind, haben wir schon ein paar Tage verloren.«
Molke nickte. »Ich nehme ein paar Leute aus meiner Firma, kein Problem.« Er dachte kurz nach. »Soll ich Kessers Telefon anzapfen?«
»Meinen Sie, das geht?«
Molke zuckte mit den Schultern. »Wenn die Frau lange genug aus dem Haus bleibt, dürfte es möglich sein.«
»Sie sollten Ihren Leuten einschärfen, vorsichtig zu sein, falls Kesser bewaffnet ist. Kann ich Sie zu Hause anrufen?«
»Sicher. Wenn ich nicht da bin, hinterlasse ich eine Nachricht.
Ich fange heute abend mit der Überwachung an.«
Volkmann zahlte seine Hotelrechnung und gab den Wagen ab.
Zwei Stunden später fuhren sie zur Brienner Straße und bogen nach rechts in Richtung Flughafen ab.
Als sie die Dachauer Straße kreuzten, bog ein grün-weißer Touristenbus auf die Straße zum Konzentrationslager ein.
Das alte KZ Dachau war nach dem Krieg wiederhergestellt worden und lag ein paar Kilometer weiter nördlich. Hierher kamen Touristen und Schaulustige, um sich eines der wenigen Vermächtnisse des Dritten Reichs anzusehen, das für die Nachwelt erhalten worden war. Volkmann hatte die Gedenkstätte bereits einmal besucht, nach seinem letzten Semester in Cambridge. Auf dem berüchtigten Appellplatz hatte sein Vater vielleicht an kalten Wintermorgen gestanden und auf den Fünf-Uhr-Appell gewartet. Die Stacheldrahtzäune, die Wachtürme, die Gaskammern und die Öfen … alles düstere und konkrete Erinnerungen an die Alpträume seines Vaters.
Hinter den mit Regentropfen bedeckten Scheiben des Busses sah er die Gesichter der Passagiere. Junge Menschen, die mit ernsten Mienen die Nasen gegen das feuchte Glas preßten.
Volkmann sah, daß viele von ihnen jüdische Schertelkäppchen trugen, und ein Schild an einem Fenster verkündete, daß sie eine Touristengruppe der Universität von Tel Aviv waren.
Als sie den Bus überholten, bemerkte Volkmann den grimmigen Ausdruck auf Molkes Gesicht, aber keiner der beiden Männer sagte ein Wort.
Als er wieder in Straßburg ankam, war es fast neunzehn Uhr, aber trotzdem fuhr er zuerst ins Büro und sah nach seiner Post.
Es gab keine Nachrichten, und weder Peters noch Ferguson waren da. Zwei italienische Beamte hatten noch Dienst, standen an der Kaffeemaschine und plauderten mit Jan de Vries.
Volkmann redete zehn Minuten mit ihnen, bevor er Erika anrief und in seine Wohnung fuhr.
Sie schien froh zu sein, daß er wieder da war, und Volkmann fiel auf, daß er die Frau in den letzten achtundvierzig Stunden vermißt hatte. Er reservierte einen Tisch in einem Restaurant in Petite France, und beim Essen fragte sie ihn, was er in den beiden vergangenen Tagen gemacht hatte. Volkmann ging nicht ins Detail und erzählte auch nicht, was er mit Kesser erlebt hatte. Aber er verriet ihr, daß er zwar mehr über ihn und Winter in Erfahrung gebracht habe, die Informationen zunächst aber vertraulich behandeln müsse. Sie fragte nicht weiter, obwohl er ihren neugierigen Blick bemerkte.
Nach dem Essen spazierten sie durch Petite France zurück.
Das alte Stadtviertel mit seinen hübschen alten Häusern und seine schmalen, mit Steinen gepflasterten Straßen und murmelnden Bächen wirkte verlassen. An einem der Weiher blieb Volkmann stehen und starrte ins Wasser. Er merkte, daß Erika ihn ansah, und als er sich umdrehte, ruhte der Blick ihrer blauen Augen auf seinem Gesicht.
Noch bevor er etwas sagen konnte, trat sie näher, und als sie mit den Lippen seine Wange berührte, roch er ihr Parfum.
Sie hakte sich bei ihm ein, und dann drehten sie um und gingen über die leeren, holprigen Straße zurück.
Volkmann sah sich zweimal um, aber es schien ihnen niemand zu folgen.
38. KAPITEL
Mexico City.
21. Dezember.
0.10 Uhr.
Es war warm in dem Verhörzimmer im Kellergeschoß. Und die Luft knisterte vor Spannung und Frustration.
Die grauen Wände waren hell beleuchtet. Gonzales knirschte mit den Zähnen und fixierte den Brasilianer mit seinem Blick.
Ernesto Brandt saß an einem Tisch. Seine linke Schulter und der rechte Arm steckten in Verbänden, den Arm trug er in einer Schlinge, und er schien Schmerzen zu haben. Das Krankenhaus hatte seine Wunden versorgt und ihm Schmerztabletten gegeben, aber das war schon vor
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