Meade Glenn
wirksame Mischung aus Beruhigungs-mitteln. Und jetzt brabbelte er nur noch vor sich hin, wirkte leicht katatonisch und lag in der psychiatrischen Abteilung des Valparaiso-Krankenhauses in der Calle Cuidad. Ein Zombie.
Der behandelnde Psychiater meinte, es würde noch vierundzwanzig Stunden dauern, bis die Polizei mit ihm reden könnte. Im Augenblick stand er zu sehr unter Drogen. »Sie könnten genausogut mit einer Wand sprechen«, hatte der Arzt erklärt. Die Schießerei, das Blut und die Leichen hatten einen schweren Rückfall bei dem Mann bewirkt. Ein Beamter saß neben seinem Bett, falls er wieder zu Bewußtsein kam. Aber das war unwahrscheinlich, jedenfalls für die nächsten Stunden.
Und Zeit war genau das, was Gonzales nicht hatte.
Und man hatte ihm gesagt, daß der alte Mann namens Halder noch nicht tot war, als die Schießerei aufgehört hatte. Er hatte einen Herzinfarkt erlitten. Der runzlige alte Bastard war erst gestorben, als man ihn in den Krankenwagen schieben wollte –
genau wie Juales. Er hätte nützlich sein können, ihnen etwas verraten oder vielleicht einen Anhaltspunkt liefern können.
Der Kriminalbeamte deutete mit einem Kopfnicken auf das Verhörzimmer. »Wollen Sie Ihr Glück mit Brandt versuchen?
Ich glaube, daß Sie mehr Reaktion von einem Schimpansen im Zoo erhalten. Der Kerl hat Kleber zwischen den Lippen.«
Gonzales runzelte die Stirn und nickte.
»Okay. Lassen Sie mich mit ihm plaudern.«
Der Mann hatte Gonzales beobachtet, als er das Zimmer betreten hatte. Weiter nichts. Er hatte kein Wort gesagt.
Gonzales spürte, wie die Wut in ihm hochstieg. Am liebsten hätte er das Schweigen aus Brandt herausgeprügelt und ihn mit seinen Fäusten zu Brei geschlagen. Juales tot. Cavales tot.
Sanchez tot. Und dazu noch zehn weitere Leichen.
Dreizehn Leichen. Das reinste Blutbad.
Und immer noch weigerte der Kerl sich zu reden. Er schien nicht einmal Angst zu haben. Er war ruhig und kontrolliert, trotz der Schmerzen. Weder Stunden frustrierten Verhörs noch Drohungen noch Hiebe auf den Tisch vor ihm hatten etwas gefruchtet.
Gonzales versuchte es noch einmal. »Ihr Name?«
Schweigen.
»Warum waren Sie in der Villa?«
Brandt sah weiter starr auf die Wand vor sich. Gonzales knirschte mit den Zähnen.
»Nennen Sie mir die Namen der Männer, mit denen Sie in der Villa waren.«
Keine Reaktion.
»Reden Sie endlich!«
Brandt leckte sich die Oberlippe, aber er zuckte ansonsten nicht einmal mit der Wimper.
Gonzales holte tief Luft und stieß sie dann pfeifend aus. Das hartnäckige Schweigen dieses Hurensohns brachte ihn vollkommen in Rage. Er hätte dem überheblichen Mistkerl am liebsten ins Gesicht geschlagen, seine Knochen zertrümmert, gefühlt, wie Haut und Muskelgewebe unter seiner Faust zerrissen. Er wollte ihn anbrüllen, riß sich jedoch zusammen.
»Noch einmal«, sagte er statt dessen. »Ich sage es Ihnen ein letztes Mal. Sie können es sich schwer- oder leichtmachen. Die Anklagen gegen Sie sind schwerwiegend. Beihilfe zur Ermordung von sechs Polizeibeamten. Widerstand gegen die Staatsgewalt. Versuch, vom Tatort zu fliehen. Ich könnte so weitermachen, aber mir geht die Geduld aus. Ist Ihnen das klar?«
Gonzales hieb mit der Faust auf den Tisch. »Also reden Sie!
Warum waren Sie in der Villa? Wer waren die Männer, die Lieber getroffen hat?«
Schweigen.
»Reden Sie!«
Brandt starrte weiter vor sich hin und antwortete nicht.
Gonzales wurde von seiner Wut überwältigt. »Du beschissener Mistkerl! Rede endlich! Verstehst du mich? Rede!«
Brandt schwieg.
Gonzales packte Brandts Revers auf der Seite, wo sein Arm verletzt war, zerrte ihn vom Stuhl hoch und riß den rechten Arm zurück, die Faust geballt.
Brandt reagierte. Er schrie in Todesangst auf.
Gonzales schlug zu.
Die Faust stoppte kaum einen Zentimeter vor der Nase des Mannes. Gonzales seufzte frustriert auf. Sein Verhalten war untypisch und nur durch seine Frustration erklärbar. Aus den Augenwinkeln sah er, wie die Beamten und der Dolmetscher ihn verblüfft anstarrten. Langsam ließ er das Revers des Brasilianers los.
Brandts Gesicht war schmerzverzerrt. Er setzte sich langsam wieder hin und starrte Gonzales einen Augenblick an. Aber er sagte kein Wort. Immer noch zeigte sich auf seinem Gesicht keine Angst, höchstens eine leichte Beunruhigung. Dabei hatte nicht viel gefehlt und man hätte ihm seine Nase ins Gesicht geprügelt.
Gonzales trat einen Schritt zurück. Er preßte die Zähne zusammen und spürte den
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