Meade Glenn
zurück über die Isar in das exklusive Stadtviertel gerast und hatte vor Grinzingers Villa geparkt. Dem Uniformierten im Wachhäuschen hinter dem Tor zeigte Molke seinen Ausweis, und der Beamte rief im Haus an. Grinzinger war noch nicht da. Daraufhin erklärte Molke dem Polizisten, daß er warten wolle. Der Mann hatte ihn mißtrauisch beäugt und war zweimal ans Tor gekommen, um Molkes Wagen zu betrachten. Schließlich kam ein Polizist in Zivil aus dem Haus. Er erkannte Molke und trat zu ihm ans Auto.
»Worum geht’s denn, Iwan?«
»Ich warte auf Grinzinger. Ich hab’ was mit ihm zu besprechen, unter vier Augen.«
»Haben Sie einen Termin?«
»Nein.«
»Ich darf Sie leider nicht drinnen warten lassen, Iwan. Dazu brauche ich Grinzingers Genehmigung.«
Als Molke kurz darauf die Scheinwerfer auf der verschneiten Allee sah, wartete er geduldig, bis der Wagen durch das Tor in die Einfahrt gefahren war. Kurz danach rief der Polizist im Haus an, und knapp eine Minute später saß Molke in Grinzingers Bibliothek, einem kühlen, holzgetäfelten Raum, dessen Bücherregale mit wertvollen in Leder gebundenen Ausgaben von Klassikern gefüllt waren.
Johann Grinzinger war ein zweiundfünfzig Jahre alter, hochgewachsener Mann mit blondem, schütterem Haar und einer hohen Stirn. Er strahlte enormes Selbstvertrauen aus. Sein teurer, grauer Maßanzug stand ihm ausgezeichnet. Sein Gesicht war eher markant als gutaussehend, die schlanken Hände perfekt manikürt. Molke vermutete, daß er sich den Abend mit einer der hübschen Sekretärinnen aus der Belegschaft des Ministeriums versüßt hatte, anstatt lange auf der Feier zu bleiben. Frauen waren eine kleine Schwäche dieses Mannes, Molke wußte aber, daß Grinzinger dennoch einer der wenigen im Ministerium war, denen er trauen konnte.
Der Politiker zündete sich eine Zigarette an, setzte sich hinter seinen schweren Schreibtisch und forderte Molke mit einer Handbewegung auf, sich ebenfalls zu setzen.
Er sah auf die Uhr und blickte Molke abwartend an. »Was führt dich her, Iwan? Gibt es ein Problem?«
Molke nickte. »Ich brauche deine Hilfe, Johann.«
»Schieß los.« Grinzinger sah erneut ungeduldig auf seine Uhr.
»Aber mach’s bitte kurz. Ich muß früh aufstehen und brauche meinen Schönheitsschlaf.« Seine Zähne blitzten, als er lächelte, aber Molkes Gesicht blieb unbewegt. »Wie kann ich dir helfen?« fragte Grinzinger.
Molke griff in die Manteltasche und zog den gepolsterten Umschlag heraus. Er sah, wie Grinzinger darauf starrte. Bevor Molke die Papiere weiterreichte, sagte er: »Ich möchte, daß du zwei Dinge für mich tust, Johann. Erstens: Hör mich zu Ende an. Und Zweitens: Lies dir den Inhalt dieses Umschlags genau durch.«
»Was soll das, Iwan?« fragte Grinzinger ungeduldig.
»Ein Freund hat mich gebeten, es jemandem aus der Regierung zu geben, dem ich vertraue. Jemand mit Einfluß.
Nachdem er mir gesagt hat, worum es sich handelt, habe ich mich für dich entschieden.«
»Ich fühle mich geschmeichelt, aber sprich weiter.«
»Der Mann heißt Joseph Volkmann. Er arbeitet für die DSE in Straßburg.«
Grinzinger hob fragend die Augenbrauen. »Berührt das die Belange der Staatssicherheit?«
»Ja.«
»Nur die Bayerns oder auch die des Bundes?«
»Von beiden. Ich hätte auch zum Staatssekretär des Inneren gehen können, zu Kaindel oder zum Minister Weber selbst, aber ich kenne keinen der beiden persönlich.«
Grinzinger zögerte, zog nachdenklich an seiner Zigarette und blies den Rauch aus.
»Gut, sprich dich aus.«
»Bevor du das liest, was in dem Umschlag ist, möchte ich, daß du noch zwei Dinge erfährst. Heute nachmittag wurde auf das DSE-Hauptquartier ein Bombenanschlag verübt.«
Grinzinger nickte ernst. »Ich habe die Nachrichten schon im Wagen gehört. Hat unser Gespräch etwas damit zu tun?«
Molke nickte. »Dann weißt du vielleicht auch schon, daß der britische Sektionschef getötet wurde. Und noch ein weiterer Mann. Ebenfalls ein Brite.«
»Ich dachte, es würden zwei Leute vermißt. Das hat jedenfalls der Nachrichtensprecher erwähnt.«
»Dabei handelt es sich um Volkmann. Er hat seine Leute in London noch nicht angerufen.«
Grinzinger sah Molke scharf an. »Weiter, bitte.«
»Zweitens: Volkmann ist vollkommen vertrauenswürdig. Ich habe mit ihm in Berlin zusammengearbeitet. Er ist einer der wenigen Menschen, denen ich mein Leben anvertrauen würde.«
»Und warum erzählst du mir das alles?«
»Weil du mich wahrscheinlich
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