Meade Glenn
von der Rodriguez dir erzählt hat … Worum, glaubst du, handelt es sich dabei? Sag die Wahrheit! Das Leben des Mädchens hängt davon ab.«
Hernandez sah ihn mit verquollenen und blutunterlaufenen Augen an. »Schnee. Ihr handelt mit Kokain.« Ihm war nun alles egal, denn er war ein toter Mann, ganz gleich, was er sagte, und ihm war klar, daß sie auch Graciella nicht am Leben lassen würden. Für das Mädchen konnte er nur hoffen, daß es schnell ging, und schmerzlos …
Der Mann ließ los. »Bitte«, bettelte Hernandez. »Das Mädchen
… Sie hat keine Ahnung … Sie ist nur ein Kind …«
Der dunkelhaarige Mann grinste und lachte laut auf, als würde ihn etwas amüsieren. Er wandte sich dem silberhaarigen Mann zu. Der nickte.
Der Dunkelhaarige drehte sich wieder um und starrte Hernandez wütend an.
»Du dummer, blöder Mestizenarsch!«
Dann wandte er sich kurz ab und schnippte mit den Fingern.
Es ging rasend schnell. Der Mann neben Graciella, der das Messer hielt, hob die Hand, und die Klinge blitzte auf.
Hernandez wollte schreien, aber jemand preßte ihm wieder die Hand auf den Mund. Er mußte entsetzt mit ansehen, wie das Messer sich senkte, sich in die weiche Haut des Mädchens bohrte und sie vom Tal zwischen den Brüsten bis zum Bauchnabel aufschlitzte, wie das Blut in einer Fontäne hervorschoß, wie die sterbenden Augen des Mädchens zum Himmel blickten, wie ihr Körper plötzlich schlaff wurde und blutüberströmt zusammensackte. Hernandez fühlte, wie ihm Erbrochenes in die Kehle hochstieg.
Dann trat der große, blonde Leibwächter plötzlich wie aus dem Nichts vor.
Unter dem Mantel zog der Koloß ebenfalls ein Messer hervor.
Hernandez wollte aufschreien, aber die Hand vor seinem Mund erstickte den Schrei in seiner Kehle, und andere Hände hielten ihn gegen die Wand.
Alles schien wie in Zeitlupe abzulaufen. Hernandez sah starr vor Grauen zu, wie das gezackte Messer in einem Bogen auf ihn zukam und sich in seine Brust bohrte. Er spürte einen sengenden Schmerz, als es ihn traf wie ein Hammerschlag, fühlte das warme Blut auf seiner Haut, während das Messer seine Eingeweide durchtrennte. Die Schmerzen hüllten ihn ein wie Nebel, und undeutlich sah er, wie der dunkelhaarige Mann zurücktrat. Die Hände, die ihn an der Wand hielten, ließen los.
Er sank zu Boden und rutschte in die Pfütze aus seinem eigenen Blut, die sich rasch vergrößerte.
ZWEITER TEIL
10. KAPITEL
Straßburg.
Donnerstag, 1. Dezember.
In der Ecke des Restaurants brannte ein Holzfeuer, und die Wände waren frisch in warmen Brauntönen gestrichen, die dem Raum ein gemütliches Flair verliehen.
Vom Fenster aus konnte Volkmann den Turm des Straßburger Münsters sehen, der sich in den grauen Nachmittagshimmel erhob. Das Schachbrettmuster der rot und braun gedeckten Hausdächer im mittelalterlichen Zentrum von Straßburg erstreckte sich in endlos scheinenden Mäandern, soweit das Auge blickte. Ein eiskalter Wind fegte über den Gutenbergplatz, und mit eisigen feinen Nadeln peitschte der Regen gegen das Fenster.
Normalerweise konnte man nach Ferguson die Uhr stellen, aber diesmal war er schon fast eine halbe Stunde zu spät, und sie hatten bestellt, ohne daß er aufgetaucht wäre.
Der Chef der Britischen Sektion verabscheute deutsches Essen, weshalb er für ihre wöchentlichen informellen Treffen immer ein französisches Restaurant aussuchte.
Volkmann drehte sich um und blickte wieder aus dem Fenster auf die Bronzestatue von Johannes Gutenberg. Der eisige Platz war trotz des herannahenden Weihnachtsfestes beinahe menschenleer. Im Fenster eines nahe gelegenen Geschäfts stand ein fetter Verkäufer mit gerötetem Gesicht auf einem Stuhl und bemühte sich, Ketten mit versilberter Dekoration zwischen die übliche weihnachtliche Auslage des Geschäfts zu hängen.
Volkmann gegenüber saß Tom Peters und nippte an einem Glas Bordeaux. Fergusons rechte Hand und Nummer zwei der Britischen Sektion war ein untersetzter, mittelalter Waliser. Das mittelblonde, ergrauende Haar hatte er aus seinem rötlichen Gesicht zurückgekämmt.
Er sah Volkmann an. »Da war erst letzte Woche ein Artikel in Le Monde. Irgendein Kerl vermutet, daß es innerhalb von ein paar Monaten wieder so sein wird wie damals zu Zeiten der Weltwirtschaftskrise.« Peters deutete mit einem Nicken auf den Ladeninhaber. »Ich kann in seinem Interesse nur hoffen, daß sich der ganze Aufwand lohnt.«
Volkmann lächelte und trank den roten, fruchtigen Wein, den Peters
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