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Meade Glenn

Meade Glenn

Titel: Meade Glenn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unternehmen Brandenburg
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Wespennest.
    Entspann dich! Ganz ruhig.
    Und wenn noch mehr Männer im Bahnhof warteten? Wie sollte er nur an das Gepäckschließfach kommen?
    Er blieb einige Minuten in den Schatten stehen und überlegte, bis ihm plötzlich etwas einfiel. Er lächelte. Vielleicht gab es doch eine Möglichkeit. Er drehte sich schnell um und ging den Weg zurück, den er gekommen war.
    Kurz darauf erreichte Hernandez die Rückseite des Bahnhofs.
    Ein zweiflügeliges Holztor mit einem kleinen Guckloch diente als Eingang. Den benutzten die Bahnarbeiter.
    Er durchschritt das Tor und gelangte auf einen kleinen Hof.
    Als er ihn überquerte, sah er einen uniformierten Bahnbeamten in einem winzigen Büro hinter einer Fensterscheibe sitzen. Der Mann blickte kurz von der Illustrierten auf, in die er versunken gewesen war, und las dann weiter. Die Leute aus dem Barrio nahmen ständig diese Abkürzung.
    Eine Minute später stand Hernandez auf dem nächstgelegenen Bahnsteig. Vor dem Prellblock wartete geduldig eine uralte Diesellok, und der Gestank nach Fett und Öl hing zum Schneiden dick in der schwülen Luft. Hernandez war ganz allein auf dem Perron, und er konnte die Bahnsteige gleich hinter dem Eingang deutlich sehen. Sie waren kaum sechzig Meter entfernt.
    In der Nähe schliefen einige Indios und Bauern. Ein alter Mann, der Wasser und Pistazien verkaufte, war hinter seinem Stand eingeschlafen. Den Kopf hatte er auf der Karre in seine Arme gelegt. Frauen mit bunten Kopftüchern warteten mit ihren schlafenden Kindern und Männern auf die Morgenzüge, die sie wieder zurück ins Hinterland bringen würden. Einige gaben Säuglingen die Brust. Männer in Anzügen oder bullige Typen wie die am Hotel sah Hernandez nirgendwo. Die Gepäckschließfächer waren nicht weit weg. Sie befanden sich hinter den Verkaufsbuden, deren Rolläden noch heruntergelassen waren, etwa dreißig Meter von ihm entfernt.
    Hernandez musterte erneut die Leute, aber er bemerkte nichts Ungewöhnliches, keinen der Männer, die er draußen gesehen hatte. Trotzdem war es sicher klüger, vorsichtig vorzugehen.
    Hernandez zögerte und sah einen Bahnbeamten, der auf einer Holzbank saß und schlief. Der Mann hatte die Hände über der Brust gefaltet und schnarchte vernehmlich. Seine Uniformjacke lag über der Lehne der Bank. Hernandez trat zu dem Schlafenden, überzeugte sich davon, daß ihn niemand beobachtete, ergriff die Uniformjacke, zog sie an und ging weiter.
    Als er sein Schließfach erreichte, steckte er den Schlüssel in das Schloß.
    » Señor? «
    Hernandez hörte die Stimme hinter sich und erstarrte. Er drehte langsam den Kopf um, und spürte die eiskalte Angst in seinem Inneren. Hinter ihm stand ein alter Mann.
    » Por favor, Señor … «
    Das faltige Gesicht des Mannes war von der Sonne und der Arbeit fast so dunkel wie Mahagoni. In der Hand hielt er einen abgeschabten Koffer, in seinem Mund steckte eine unangezündete Zigarette. Er lächelte Hernandez an und deutete auf die Zigarette.
    Hernandez brauchte eine Weile, bis er begriff. Er durchwühlte mit zitternden Händen seine Taschen und reichte dem Mann sein billiges Plastikfeuerzeug. »Behalten Sie’s. Ich hab’ noch eins.«
    » Muchas gracias, Señor. «
    Der Mann drehte sich um und schlurfte davon. Hernandez atmete aus. Er war angespannt, und die Furcht ließ ihn zittern.
    Der Schweiß stand ihm auf der Stirn. Er öffnete hastig die Metalltür des Schließfachs, legte das Band auf den Umschlag mit den Fotos und schloß die Tür wieder. Dann steckte er den Schlüssel in die Hosentasche, ging zu dem schlafenden Beamten hinüber und legte die Uniformjacke wieder über die Bank.
    Danach eilte er zum Hinterausgang.
    Der Mann hatte beschlossen, den Fluß entlangzufahren und sich langsam vorzuarbeiten. Er ging im Zickzack durch das Labyrinth der engen Straßen. Am Rand des Flusses blieb er stehen und zog die Nase kraus, als der Gestank von Schwefel und verfaultem Fisch ins Innere seines Wagens drang. Nach rechts oder nach links? Er entschied sich dafür, nach rechts abzubiegen. Die Türen waren verschlossen, und die Fünfundvierziger lag neben ihm auf dem Beifahrersitz.
    Im Schrittempo fuhr er fast dreihundert Meter und suchte dabei sorgfältig die Straße und die kleinen Gassen ab. Da bemerkte er aus den Augenwinkeln etwas Rotes, Glänzendes.
    Instinktiv nahm er Gas weg. Ein alter, roter rostiger Buick –
    der Schriftzug am Heck ließ kein Mißverständnis zu – war es, was seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Der

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