Meade Glenn
Wagen parkte vor einem Haus mit weißen, abblätternden Wänden. Das Herz des Mannes schlug schneller. Unwillkürlich griff er zur Waffe, fuhr an den Bordstein und hielt an. Er lächelte, nahm jedoch statt der Fünfundvierziger das Funktelefon und tippte hastig die Nummer ein.
Jemand hob ab. » Sí? «
»Hier spricht Dortmund … Ich glaube, ich habe den Wagen gefunden.«
Hernandez ging langsam am Fluß zurück und ließ sich Zeit.
La Chacarita war um diese frühe Stunde ein trauriger, verlassener Ort. Die Kassette war sicher verstaut. Morgen würde er Sanchez anrufen. Er würde dem Kriminalpolizisten alles erzählen, was er wußte, und hoffte, daß er ihm helfen könnte.
Auf jeden Fall war es klug, das Band im Schließfach zu lassen.
Selbst wenn die Verfolger ihn erwischten, konnte er auf Zeit spielen und vielleicht, wenn es nicht anders ging, einen Handel schließen. Hätte er hingegen das Band bei sich, wenn sie ihn erwischten, dann wäre er mit Sicherheit ein toter Mann. Das, wovon die Stimmen auf dem Band sprachen, mußte immens wichtig sein. Wie sonst ließ sich die Anwesenheit der Männer auf dem Bahnhof erklären? Hernandez wußte, er würde Zeit brauchen, um das Gespräch zu entschlüsseln. Und möglicherweise konnte Sanchez dabei helfen.
Er war viel zu nervös und zu aufgeregt, als daß er hätte schlafen können. Am Fluß blieb er stehen, zündete sich eine Zigarette an und dachte nach. Ihm war klar, daß da etwas Großes vorging, etwas wirklich Bedeutendes, für das es sich lohnte zu töten. Er erinnerte sich an die Gesichter, die diese
»Geschäftsleute« gemacht hatten, als sie aus dem Aufzug kamen. Sie hätten ihn bedenkenlos getötet, davon war Hernandez überzeugt. Und von all dem mußte Sanchez erfahren.
Allein weiterzumachen, wäre viel zu gefährlich. Die Männer aus dem Hotel verfügten über Macht und Einfluß. Wie sonst hätten sie all diese Männer auf seine Spur setzen können? Wenn die Bahnhöfe überwacht wurden, dann mit Sicherheit auch der Flughafen und möglicherweise sogar die Hauptstraßen.
Hernandez lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Sanchez war seine einzige Hoffnung.
Der fette Kriminalbeamte würde ihn zwar löchern, warum er nicht sofort zu ihm gekommen sei und warum Hernandez in Tscharkins Haus Informationen zurückgehalten habe. Doch darüber konnte er sich später immer noch den Kopf zerbrechen.
Das Mondlicht war hell genug, daß er seine Uhr ablesen konnte. Allmählich wurde es Zeit, zu Graciella zurückzukehren und möglichst ein wenig zu schlafen. Er schnippte die Zigarette weg und sah ihr nach, wie sie in das silbrige Wasser rollte. Dann drehte er sich um und ging zum Haus zurück.
Hernandez war noch fünf Meter von der Haustür entfernt, als er bemerkte, daß sie offenstand.
Wie angewurzelt blieb er stehen.
Die Tür hatte er doch hinter sich geschlossen, oder nicht? Er war in solch einem Aufruhr gewesen. Vielleicht hatte er es vergessen? Herrgott, jeder konnte hineingegangen sein und …
Hernandez hörte das Klicken und wirbelte sofort herum. Das Blut gefror ihm in den Adern, als er die beiden mit Pistolen bewaffneten Männer sah, die auf ihn zustürzten. Ihre Gesichter erkannte er nur undeutlich, denn im gleichen Moment legte sich eine rauhe Hand über seinen Mund und erstickte seinen Aufschrei. Jemand packte ihn beim Haar und riß seinen Kopf zurück. Gleichzeitig wurde Hernandez ins Haus geschoben. Die Tür flog krachend auf, und eine übermächtige Kraft stieß ihn in die Küche. Dort brannten alle Lichter – die Küche war voller Männer …
Jesus Maria … dachte er.
Jemand schlug Hernandez in die Seite, während die Hand auf seinem Mund seine Schreie noch immer erstickte. Die Gesichter um ihn verschwammen, als unablässig Schläge auf ihn einnagelten. Sie prügelten ihm das Gesicht zu Brei, er spürte jeden einzelnen Knochen im Leibe, und schließlich konnte er kaum noch stehen. Auf seinen Lippen und in seinem Mund schmeckte er das salzige Blut. Man preßte ihn grob gegen die Wand und schlug ihm zweimal rasch und präzise in die Nieren.
Hernandez mußte den Brechreiz unterdrücken.
Zwei große Männer hielten Graciella fest. Ihr zierlicher Körper wirkte zwischen ihnen fast wie der Leib einer Puppe.
Man hatte ihr ein weißes Handtuch in den Mund gestopft. Ihr hübsches Gesicht war blutüberströmt, und in dem Blick ihrer unschuldigen Augen zeichnete sich grenzenloses Entsetzen ab.
Das Aufnahmegerät lag immer noch auf dem Tisch. Zwei
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