Mecklenburg-Vorpommern. Anleitung für Ausspanner
Skulptur lange unter Verschluss.
Was schade war, denn der Schwung und die Eleganz der Figuren sind durchaus sehenswert. Im Gegensatz zum Beispiel zu einem etwas statischen Entwurf
eines Standbildesvon Generalfeldmarschall Blücher, das Schadow 1819 für Rostock schuf. Es zeigt den Feldherren hoch aufgerichtet und
ehrwürdig schreitend, mit einem Löwenfell bekleidet. Auf dem Sockel sind allerlei Ungeheuer zu sehen – Ausgeburten einer Hölle, die Königin Luise für die
Heimat Napoleon Bonapartes hätte halten können. Gebhard Leberecht von Blücher vollendete das, was Luise eigentlich gewollt hatte – er schlug die
französischen Truppen bei Waterloo im Jahr 1819 vernichtend.
Grund genug, dem »Marschall Vorwärts« ein Denkmal zu errichten. Schließlich war Blücher 1742 in Rostock geboren worden. Der Plan seiner Heimatstadt,
den großen Sohn und ersten Ehrenbürger unübersehbar auf den Sockel zu heben, rührte den alten Blücher sehr: »Ich finde nicht Worte, Ihnen, Hochverehrte
Herrn, und den sämtlichen Einwohnern von Rostock meinen Dank so auszudrücken, wie ihn mein Herz fühlt«, schrieb er an den Senat. Berührt waren auch die
Stadtväter von Rostock, allerdings im negativen Sinne. Denn sie wussten nichts von dem Denkmal. Allein in der Zeitung »Hamburgischer Unpartheyischer
Correspondent« hatte es gestanden. Eine Ente. Doch nun war sie in der Welt, Blücher standen Tränen in den Augen, und die Rostocker mussten handeln.
Sie ließen sich nicht lumpen und holten große Geister ins Boot. Nicht nur für die Figur, sondern auch für das kleine Gedicht, das auf dem Sockel zu
lesen ist:
»In Harren und Krieg,
In Sturz und Sieg
Bewußt und groß,
So riß er uns von Feinden los.«
Das holpert und stolpert besonders am Ende ein wenig. Und doch sind die Verse von – halten Sie sich fest –
Goethe. Genau, der Geheimrat aus Weimar, mit dessen Mutter Königin Luise recht gute Kontakte hatte.
Ein Schreien kommt durch die Luft. Es ist Sonntagmorgen, vier Uhr, als die Anwohner des Rostocker Stadtteils Marienehe vor Schreck
kerzengerade in ihren Betten stehen. Ein paar hundert Meter entfernt recken einige Männer ebenso kerzengerade die Arme in die Luft: Soeben hat der
Jungfernflug des ersten Düsenflugzeugs der Welt stattgefunden. Es ist der 27. August 1939. Pilot Erich Wasitz ist mit der He 178 nicht allzu weit
geflogen, ein paar Runden nur, aber der Beweis ist erbracht – die neuartigen Triebwerke funktionieren. Der Impuls, der von Rostock ausgeht, erschüttert
bald das Flugwesen auf der ganzen Welt.
Mitten in Rostock war eine Flugzeugindustrie aus dem Boden gestampft worden. Eine beispiellose Geschichte, in ihrem Mittelpunkt ein versierter
Ingenieur und Tüftler: Ernst Heinkel. Er gründete sein Unternehmen 1922 – in dem Jahr, in dem laut Versailler Vertrag in Deutschland wieder die
Beschäftigung mit ziviler Luftfahrt erlaubt wurde. Heinkels Büro in Warnemünde zählte gerade mal 15 Mitarbeiter. Anfang der Dreißiger waren es schon mehr
als 300. Und nach Heinkels von Adolf Hitler ausdrücklich befürwortetem Eintritt in die NSDAP und der unverhohlenen Vereinnahmung seines Flugzeugwerkes für
die Rüstung arbeiteten 1944 allein in Rostock 15 000 Menschen in seinem Betrieb, darunter Zwangsarbeiter und Häftlinge.
Heinkel erfand nicht nur das erste Düsenflugzeug, den Schleudersitz oder Katapultflugzeuge, deren Rampen bisheute östlich von
Warnemünde in der Brandung vor sich hinrotten. Ganz vorn mit dabei zu sein zeitigt nicht immer lobenswerte Folgen. So flogen Bomber aus Rostock zum
Beispiel bei dem Angriff mit, der 1937 die spanische Stadt Guernica in Schutt und Asche legte. Der Anlass für Pablo Picassos berühmtes Wandbild »Guernica«
kam direkt von der Ostseeküste.
Die Raketen, die in den Morgenstunden des 13. Juni 1942 in London einschlugen, kamen von der Insel Usedom. Auch hier war ein Zentrum des Flugkörperbaus
entstanden: In der »Heeresversuchsanstalt Peenemünde« ging es um die Entwicklung von Marschflugkörpern und Raketen. Der Standort auf der Nordspitze der
beschaulichen Insel geht der Legende nach auf einen Tipp der Mutter Wernher von Brauns zurück, einer gebürtigen Anklamerin. Ihr Sohn war als einer der
Chefingenieure von Peenemünde unter anderem mit der Entwicklung der V2 befasst. V – das stand für »Vergeltungswaffe«. Die V2 gilt als wichtiger Schritt
in Richtung Raumfahrt – und Wernher von Braun arbeitete nach
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