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Mecklenburg-Vorpommern. Anleitung für Ausspanner

Mecklenburg-Vorpommern. Anleitung für Ausspanner

Titel: Mecklenburg-Vorpommern. Anleitung für Ausspanner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Joseph
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heute weniger als ein Schatten ihrer Welt. An der Wiege Mecklenburgs fährt man auf
     der Strecke zwischen Wismar und Schwerin getrost vorüber. Den baumbewachsenen Hügel neben der B 106 in dem Örtchen Dorf Mecklenburg nehmen nur Ortskundige
     als Rudiment einer bedeutenden Festung wahr. Selbst wer die Wallanlagen betritt, fühlt sich nicht gerade in die Zeit zurückversetzt, in der mächtige
     Slawenherrscher versuchten, den Germanen zu entgehen. Es gelang ihnen ja auch nicht, und Nakons Burg wurde abgerissen, die Steine verbaute man in
     Wismar. Heute befindet sich im Inneren der historischen Stätte ein Friedhof. Geblieben ist ein Dorf, entstanden aus der Ansiedlung, die der Burg
     vorgelagert war.
    Als die Festung noch stand, wurden die Verstorbenen zu Füßen des Burgwalls begraben. Zu dieser Erkenntnis brauchte man allerdings den Eigenheimbau
     moderner Zeiten. Als Anfang der 70er-Jahre des 20. Jahrhunderts an dieser Stelle begonnen wurde, neue Behausungen zu schaffen, standen bald alarmierte
     Archäologen auf der Baustelle und diesen die Haare zu Berge. Denn die Gebeine der Vorfahren lagen offen in den frisch ausgehobenen Gruben.
    Es geschieht übrigens immer mal wieder, dass Archäologen wegen Geschehens in diesem flachen Lande die Haare zu Berge stehen. Anlass zum Beispiel waren
     vor Kurzem ein paar historische Langschiffe. Holzboote, die hunderte Jahre nahezu unbeschadet im Erdreich verbrachten, aber nur wenige Jahre im
     Landesarchiv. Dort trat das ein, was passiert, wenn man altes Holz ablegt und sich selbst überlässt: Es verrottet. So sind denn die Funde wieder
     Geschichte.Immerhin besteht die Hoffnung, dass noch mehr Schätze zu bergen sind. Die Autobahn 20 hat es an den Tag gebracht. Aber auch
     unter der Meeresoberfläche werden sagenhafte Rudimente großer Zeiten gefunden. Koggen zum Beispiel. Eine wurde vor Wismar aus dem Wasser geholt – und
     nachgebaut. Als »Wissemara« ist sie heute für Touristen unterwegs. Koggen waren die Gefährte, mit denen die Händler der Gegend im Mittelalter die Meere
     bereisten – und von denen man sich heute kaum noch vorstellen kann, dass sie überhaupt segelten. Gegen den Wind ging gar nicht, und auch sonst lagen die
     bauchigen Gefährte schwer im Wasser. Immerhin sind sie der Beweis dafür, dass man selbst mit nahezu manövrierunfähigen Schiffen zur Weltmacht aufsteigen
     kann. Denn als die Koggen segelten, waren Wismar und Rostock gemeinsam mit Lübeck für einen Augenblick der Geschichte der Mittelpunkt Europas. 1359
     verbündeten sich die drei Städte zum »wendischen Quartier« – ein wichtiges Zentrum dessen, was als Hanse berühmt werden sollte.
    Im Grunde war es eine Art Mitfahrzentrale. Hanse – das bedeutet »Schar« und meinte, dass die Händler gemeinsam loszogen, um ihre Waren sicher ans Ziel
     zu bringen. Denn was heute mautpflichtige Autobahnen, Tunnel oder Brücken sind, das waren damals Piraten, gegen die sich die Kaufleute schützen
     wollten. Das funktionierte nicht nur beim Transport, sondern zunehmend auch dort, wo die Waren abgesetzt wurden. Die Händler traten in Russland und
     Skandinavien mit breiter Brust auf und ertrotzten Privilegien, wie sie sonst niemand genoss. Wer dazu gehörte, profitierte davon, wer nicht, betrachtete
     das Bündnis mit finsterem Blick, weil die Hanse-Kaufleute allen anderen den Rang abliefen.
    Entsprechend wollte jeder dazugehören, und es ist schon erstaunlich, wer heute alles sein Autokennzeichen mit einem Hanse-H schmücken
     dürfte: Köln zum Beispiel. Oder Venedig – die südlichste Stadt, die je zum Bündnis zählte. Entscheidend allerdings war die Nähe zum Meer, und da saßen
     Rostock, Wismar und Lübeck einfach in der ersten Reihe. Niederdeutsch bildete die von allen verstandene Sprache, der Einfluss der Hanse reichte bis in das
     britische Königshaus. Und das Maß der Dinge kam aus Rostock: Die dortige Heringstonne fasste exakt 129,5 Liter und war an allen Ufern der Ostsee
     anerkannt. Einen der wesentlichen Exportschlager stellte zum Beispiel das Wismarer Bier dar. Verschifft wurde es hauptsächlich nach Skandinavien. Heute
     kommen die Dänen und Schweden persönlich in die Hansestädte, um sich ihr Pils abzuholen.
    In den Hansestädten verstand man sich übrigens nicht nur aufs Schiffen, sondern investierte auch in Immobilien. Vor allem entstanden riesige Kirchen,
     quasi die Wolkenkratzer jener Zeit. Gemauert wurden sie aus großen, rötlichen Steinen, die diesem Abschnitt der

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