Mecklenburg-Vorpommern. Anleitung für Ausspanner
Geschichte ein als eine Phase, in der Heere verschiedener Herren übers Land zogen und mitnahmen und umbrachten, was sie nur
konnten. Wieder waren es Reisende, die Mecklenburg und Vorpommern prägten, dieses Mal zum Schlechten: Habsburger, Preußen, Dänen und Schweden, Kroaten,
Brandenburger. Sie bewegten sich durchs Land wie durch einen Supermarkt. Irgendwann waren die Regale leer, und es gibt nicht wenige Historiker, die sagen:
Von diesem Ausverkauf hat sich das Land nie richtig erholt.
Wir wollen nicht so tun, als sei uns die lange Reihe von Herzögen in Mecklenburg und Vorpommern geläufig. Der realsozialistische
Geschichtsunterricht tat ein Übriges, um die Herrscherfolge in Vergessenheit geraten zu lassen. 40 Jahre lang begann die Geschichte erst mit der
Oktoberrevolution 1917 in Russland. Und davor? »Das ist die Vorgeschichte«, antwortete unsere Lehrerin mit dem Selbstbewusstsein einer Diktatur im
Rücken. Ein bisschen fühlt man sich an die verrotteten Langschiffe erinnert. Mecklenburg und Vorpommern kamen in der Schule nicht vor. Und wenn man sich
angesichts plattschnackender Großeltern und Eltern irgendwann als Mecklenburger bezeichnete, dann hatte das bis 1989 durchaus etwas
Dissidentisches. Mecklenburg und Vorpommern – das waren die Bezirke Rostock, Schwerin und Neubrandenburg.
Neuaufteilungen der Region hatte es auch zuvor immer mal gegeben. Vorpommern gehörte fast zwei Jahrhunderte zu Schweden, ab 1815 dann
zu Preußen. Auch Wismar war lange schwedisch. Im 18. Jahrhundert spaltete sich Mecklenburg-Strelitz von Mecklenburg-Schwerin ab. Was die Schweriner dazu
veranlasste, spöttisch auf die östlichen Nachbarn herabzublicken. »Der kommt aus Land zwei«, sagte Großvater, wenn ihm jemand aus Mecklenburg-Strelitz
begegnete.
Dabei verdanken wir gerade diesem Landstrich die »Königin der Herzen«, eine wahrhafte Prinzessin Diana – ein gekröntes Haupt, das allenthalben verehrt
wurde. Nicht von jedem allerdings. Napoleon nannte sie »eine Frau mit hübschen Zügen, aber wenig Geist«: Luise von Mecklenburg-Strelitz. Tatsächlich
hatte, so wird es zumindest kolportiert, sich die hübsche Prinzessin in jungen Jahren in Darmstadt nicht allzu viel mit ihrer Bildung beschäftigt. Als
sprunghaftes und lebenslustiges Mädchen wird sie geschildert. Dass sie einmal Friedrich Wilhelm III. heiraten und damit die Herrscherin von Preußen werden
würde, das hätte sie sich vermutlich nicht träumen lassen.
Warum Napoleon nicht gut auf sie zu sprechen war, liegt auch auf der Hand. Schließlich hat Luise ihm die Kriegserklärung Preußens von 1806 eingebrockt
– angeblich soll sie nämlich nicht unwesentlich auf ihren Mann eingewirkt haben, so dass der Frankreich den Fehdehandschuh hinwarf. Eine für Mr. und
Mrs. Preußen verheerende Entscheidung, denn im selben Jahr wurden ihre Truppen bei Jena und Auerstedt aufgerieben. Das Königspaar floh. Luise, krank und
schwach, reiste spektakulär mitten im Winter über die Kurische Nehrung.
In Tilsit traf sie dann doch auf Napoleon, und beide waren sogar leidlich voneinander angetan. Sie war nicht die dumme Pute, er nicht
das Ungeheuer. Napoleon erlag einigermaßen ihrem Charme, der sie so beliebt gemacht hatte: Ihr lebenslustiges Auftreten, ihre Spontaneität, die die
Wächter der Etikette entsetzte, ihr aber die Sympathien des Volkes sicherte.
Erst 1809 durfte sie zurück nach Preußen, 1810 reiste sie zur Erholung nach Neustrelitz und Hohenzieritz in Mecklenburg-Strelitz, wo ihr Vater und ihre
Tante mittlerweile residierten. Dort starb sie kurz darauf. An ihrem Herzen entdeckte man eine Wucherung, die der Legende nach durch anhaltendes Leiden
entstanden war.
Die Stadt Neustrelitz ließ den Mythos Luise in jüngster Zeit wieder aufleben und führte eine Operette unter dem Titel »Königin Luise – Königin der
Herzen« auf. Mit Musik von Johann Strauss, Jacques Offenbach und Walter Kollo. Da ist die Welt doch wieder in Ordnung.
Die Denkmäler, die zu Ehren von Luise geschaffen wurden, stammten von den wichtigsten Bildhauern ihrer Zeit. Christian Daniel Rauch
zum Beispiel schuf ihre Grabskulptur. Gottfried Schadow bildete sie und ihre Schwester Friederike, die als sinnenfreudige Witwe von sich reden machte, als
»Prinzessinnengruppe« ab. Das Werk zeigt zwei mädchenhafte Frauen in wallenden Gewändern, die bestens das Verhüllte erahnen lassen. Friedrich Wilhelm
gefiel das nicht, also hielt er die
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