Mecklenburg-Vorpommern. Anleitung für Ausspanner
einem Rapsfeld oder auf – besser neben – einer Windkraftanlage landen. Das Land bezieht knapp ein Drittel
seines Bedarfs aus erneuerbaren Energieträgern. Es ist führend in der Kraftstoffgewinnung aus Raps. Das strahlende Goldgelb des Kreuzblütlers wird im Mai
zur alles bestimmenden Farbe. Beim Zusammenpacken des Rettungsschirms hilft Ihnen wahrscheinlich der freundliche, bestens Hochdeutsch sprechende
Mitarbeiter eines der fürs Land ja so typischen Callcenters.
Um Investoren anzulocken, heben Ministerien und Fördergesellschaften für Mecklenburg-Vorpommern folgende Punkte als besondere Stärken des Landes im
Bundesvergleich hervor:
die geografische Lage,
die moderne Infrastruktur,
dreimal so viele Kinder in Tagesstätten,
die schöne Umgebung,
die Möglichkeit, dem Investor oder dem Managementein repäsentatives Gutshaus und /oder Ländereien zu kaufen,
die überdurchschnittlichen Wochenarbeitszeiten,
die rekordverdächtig niedrigen Arbeitskosten.
Zumindest die beiden letzten Fakten als Stärke zu bewerten, dürfte durchaus eine Frage der Perspektive sein. Denn genau die Aussicht
geringerer Entlohnung ist es, die hoch qualifizierte, junge Menschen gen Westen oder Süden abwandern lassen – wehmütig zwar, aber entschlossen zur
Rückkehr. Irgendwann. Wenn im Nordosten mehr blüht als nur der Raps. Zurück ans Meer – mit oder ohne Fallschirm.
STRASSENZUSTANDSBERICHT –
STREIFZUG DURCH DAS LAND DER ALLEEN
Nichts kann man in Mecklenburg-Vorpommern so gut wie Auto fahren. Und bei dieser Gelegenheit bemerkt man denn auch, dass die
Versprechen der Wendezeit Wirklichkeit geworden sind. Freie Fahrt für freie Bürger – und die blühende Landschaft jagt nur so an einem vorüber. Das
motorisierte Glück hat zwei eher unspektakuläre Namen: A 19 und A 20. Die beiden Pisten durchziehen das Land von Nord nach Süd und von West nach Ost –
man durchquert es schneller als man gucken kann. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn bis auf die obligatorischen Baustellen und einige wenige
Geschwindigkeitsbegrenzungen gibt es nichts, was das Fahrerherz langsamer schlagen lässt. Vorausgesetzt, man hat ordentlich Treibstoff gebunkert. Denn das
Netz der Tankstellen entlang der Autobahnen ist immer noch löchrig.
Technischer Fortschritt trifft die Bewahrung alter Werte: Denn bevor die Schneise für die High-Speed-Piste A 20 durchs Land gezogen
wurde, wühlten die Archäologen in der Erde, um zu retten, was ohne den modernen Straßenbau vermutlich nie gefunden worden wäre. Der Triwalker Graben, die
Überreste einer Schlacht bei Woldag und der Fundort des Goldschatzes von Gützkow habennun eines gemeinsam: Die kommenden hundert Jahre
wird ihnen kein Archäologe mehr auf die Pelle rücken. Die Geheimnisse, die sie noch bergen mögen, sind begraben unter der meterdicken Schicht aus
Stahlbeton und Asphalt. Immerhin, was nicht niet- und nagelfest war, wurde mitgenommen und in Museen verbracht. Zum Beispiel eine kleine kupferne
Friedenstaube. Das einstige Schmuckstück könnte auch einen Engel darstellen, aber als Taube wirkt es deutlich symbolhafter.
Wenn Sie sich also über die größte archäologische Ausgrabungsstätte der vergangenen Jahre ins Land bewegen, lehnen Sie sich ab und an zurück und seien
Sie sich der historischen Relevanz des Weges bewusst: Unter Ihren Rädern befindet sich das Erbe von Fürst Niklot, Fürst Borwin und Bauernvölkchen, die vor
rund 12 000 Jahren nahrhafte Moose aus dem kargen Boden rupften.
Die auch als Ostseeautobahn bezeichnete und 2005 vollendete »Bundesautobahn A 20« zieht sich von Lübeck quer durch Mecklenburg-Vorpommern, kriegt kurz
vor Greifswald die Kurve und endet im Brandenburgischen. So etwas gibt es wohl nur in einem Flächenland: Die A 20 ist die längste zusammenhängend gebaute
deutsche Autobahn seit 1945. Wobei durchaus mit Hindernissen zu kämpfen war. Vor allem an der Grenze zu Schleswig-Holstein bewirkten Umweltschützer, dass
die Anbindung zur A1 lange nicht zustande kam. Außerdem ist die Piste hier mit Tempolimits belegt, so dass man spätestens ab Grevesmühlen anfangen sollte
abzubremsen. Dieses westliche Teilstück der A 20 bescherte uns anlässlich einer mangelhaften Fahrbahndecke auch die kostbare journalistische Wortschöpfung
»Brüllbeton»: Die Autos verursachten auf dem nagelneuen Belag einen derartigen Lärm, dass sich Tierschützer undAnwohner die Ohren
zuhielten. Auch Absenkungen der Fahrbahn waren
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