Mecklenburg-Vorpommern. Anleitung für Ausspanner
dänischen Insel Møn erblickt werden konnten. In der Pose eines
Fernsehpredigers hätte ich den beiden Opfern der Zivilisation zurufen sollen, dass sie ihre Reise hier beenden sollten, Rügen herrlich sei, Usedom
traumhaft, auch der Darß phantastisch, aber da es sie nun schon mal auf diese Insel verschlagen hätte, sollten sie doch einfach bleiben und die »Perle der
Ostsee« genießen.
Allerdings ist Hiddensee in der Urlaubssaison für spontane Übernachtungen ungeeignet, Zelten ist verboten und die Zimmer sind seit
Monaten ausgebucht. Wer kommen will, sollte versuchen, ein paar Tage einzuplanen, um neben den landschaftlichen Reizen vor allem die in Fülle gebotene
Ereignislosigkeit aufnehmen zu können. Die Insel ist reich an Dingen, die sie nicht hat. Kein privater Autoverkehr, keine prunkvollen Promenaden, keine
Luxushotels, auch ein buntes Nachtleben oder Wellnesstempel sucht man vergebens. Und genau dieser Mangel an touristischen Attraktionen begründet den
Zauber des Eilandes. Der Besucher lässt sein Auto auf dem Festland im 21. Jahrhundert zurück. Wenn die Fähre an einem der drei Häfen – in Kloster, Vitte
oder Neuendorf – anlegt, geht er von Bord und betritt ein Stück Vergangenheit. An den Kais warten Pferdekutschen auf die Gäste. Manche nehmen sich auch
einen der im Gras liegenden Bollerwagen, hieven das Gepäck hinein und zuckeln glücklich über die Insel, als schöben sie einen Handwagen voll
Kindheitserinnerungen vor sich her.
Die Mischung aus reizvoller Landschaft, Ursprünglichkeit und nahezu meditativer Ruhe lockt seit jeher den empfindsamen Reisenden an:
Schriftsteller, Dichter, Maler und Schauspieler begründeten nach dem Ersten Weltkrieg Hiddensees Ruf als Künstler- und Intellektuelleninsel. Thomas Mann,
Albert Einstein, Sigmund Freud, Billy Wilder, Max Reinhardt, Ernst Barlach, Carl Zuckmayer, Heinrich George und viele andere zog es seit den 20er-Jahren
hierher. Der Münchener Schriftsteller und Sozialist Erich Mühsam erholte sich an diesem Ort von missglückter Revolution und anschließender
Inhaftierung. Hans Falladabeendete auf der Insel seine Schreibblockade und stellte seinen Roman »Kleiner Mann – was nun?« fertig. Die
dänische Stummfilm-Diva Asta Nielsen ließ sich für die Sommermonate in Vitte ein an allen Ecken abgerundetes Haus namens »Karusel« bauen. Im Zentrum der
kulturellen Society thronte jedoch seit Beginn des Jahrhunderts Literatur-Nobelpreisträger Gerhart Hauptmann. Er war der König von Hiddensee. Während der
zahlreichen Sommer, die er hier verbrachte, empfing er jeden Abend Literaten und andere Künstler. Hauptmann kam nicht wie gewöhnliche Sterbliche zusammen
mit anderen Reisenden, sondern wurde mit seinem Gefolge in einem extra mit Flaggen geschmückten Schiff übergesetzt. Die Aufmerksamkeit, die er auf sich
zog, verärgerte Thomas Mann wohl derart, dass er mitsamt Familie die Insel vorzeitig verließ, auf die ihn der Schriftstellerkollege eingeladen
hatte. Hauptmanns repräsentatives Haus »Seedorn« ist heute eine Gedenkstätte. Er selbst ist in Kloster begraben.
Ob Sie als Tagestourist Hiddensee besuchen oder für mehrere Tage bleiben, Sie sollten Hauptmanns Haus ebenso wenig versäumen wie die
Blaue Scheune in Vitte und den Leuchtturm Dornbusch. Auf dem Weg dorthin müssen Sie hinauf auf den im Norden gelegenen 72 Meter hohen Bakenberg. Jeder
noch so ortskundige Besucher wird angesichts des sogenannten »Inselblicks« andächtig stehen bleiben. Die kleine Insel, die der großen See trotzt, liegt zu
Ihren Füßen, fast so, als könnten Sie sie umarmen. Spätestens jetzt werden Sie sich als Ausflügler wünschen, ein paar Tage länger bleiben zu können, und
spätestens jetzt fragen Sie sich, wo, zum Hedin, es diese kleinen Aufkleber für die Heckklappe gibt.
• Bei Anreise mit dem Auto könnten die Parkplätze direkt an der Fähre
knapp werden. Setzen Sie vielleicht erst einen Mitfahrer mit dem Gepäck am Fähranleger ab und suchen dann einen Abstellplatz.
• Tragen Sie im Herbst ein Stirnband oder eine Mütze mit Ohrenschützern, dann fühlen Sie sich auf der Fähre nicht so allein.
• Hiddensee ist perfekt für Radler und Wanderer. Sie können mit der Fahrkarte, die Sie in Schaprode lösen, von jedem der drei Häfen
mit der Fähre zurückfahren. Die Radtour »Rund Hiddensee« ist ca. 25 Kilometer lang.
• Für Abwechslung in den Urlaubswochen sorgen naturkundliche Führungen, die
Weitere Kostenlose Bücher