Mecklenburg-Vorpommern. Anleitung für Ausspanner
sanftes Dümpeln mit Kaffee und Kuchen erlebt man eher selten. Meistens kommt der Wind exakt aus der falschen
Richtung, also von vorn. Immer ist es an Bord kälter als man denkt, und in der Regel sind auch die Sitzgelegenheiten unbequemer als man erwartet. Einmal
versuchte mein Großvater, einen Segler zusammen mit seinem bequemen Klappstuhl zu betreten. Ein Wunder, dass er hinterher überhaupt mitsegeln durfte. Also
auf keinen Fall eigenes Mobiliar mitbringen. Und niemals mit Straßenschuhen das Deck betreten.
Viertens, fast deckungsgleich mit erstens: Den Anweisungen des Skippers ist nicht nur zu folgen, sondern seine Manöver sind
auch nicht infrage zu stellen. Selbst wenn er sich ungeschickt anstellt. Schließlich gehört auch das unbedingt zum Segeln: dass am Ufer einer steht, der
alles besser kann. Besonders heikel sind übrigens die An- und Ablegemanöver, bei denen selbst Ehefrauen und Kinder hemmungslos angebrüllt werden. Da
stehen dann die Klubkameraden mit den Händen in den Taschen der weißen Latzhosen an der Mole und legen die Stirn sorgenvoll in Falten, als wäre es ihr
Kahn, der da an der Kaimauer entlangschrammt.
An neugierigen Zaungästen kommt man aber in der Regel nicht vorbei: Der Großteil der Segler ist organisiert, allein der Seglerverband
Mecklenburg-Vorpommerns zählt fast 90 Klubs an Binnen-, Bodden- und Meeresgewässern. Hat man aber alles beherzigt, wiegt das reine Vergnügendes Segelns die Unannehmlichkeiten auf. Das Revier tut ein Übriges: unberührte Küsten, leer gefegte Gewässer. Freie Fahrt für freie Segler,
jeder Liegeplatz ein Geheimtipp, der einem selbst in der Hochsaison selten von anderen streitig gemacht wird. Da weiß man wieder, was man an einem dünn
besiedelten Flächenland hat.
Außer auf Hiddensee oder in Warnemünde vielleicht. Da muss man schon mal in der zweiten Reihe parken und, um an den Steg zu kommen, über andere Boote
hinübersteigen. Dabei kann es leicht passieren, dass man in der Plicht – also hinten, wo es eine Sitzgelegenheit gibt – gewissermaßen hängen bleibt, um
dem fremden Skipper Seglergeschichten zu erzählen – oder erzählt zu bekommen. Denn auch das gehört zum Segeln: dass man anschließend die wildesten Storys
darüber zum Besten gibt. Und da sind die Segler wahrscheinlich noch schlimmer als die Angler, die selbstbewusst die Maßzahlen ihrer gefangenen Fische
aufrunden. Wer also per Boot unterwegs ist, muss auch in der Lage sein, ein ordentliches Seemannsgarn zu spinnen. Und dazu zählt zwingend das richtige
Vokabular. Anfänger sollten sich bei Kneipengesprächen dieser Art zurückhalten, aber ein paar Fachbegriffe zum Verständnis oder, besser noch, um den
Redeschwall des Gegenüber durch gezielte Einwürfe im Fluss zu halten, erweisen sich immer als nützlich:
Backbord und steuerbord – sind links und rechts.
Bug und Heck – das sind vorn und hinten auf dem Segler.
Mast – daran wird das Segel nach oben gezogen. »Mast und Schotbruch« wünschen sich manche Segler. Der Mast kann zweifellos
brechen. Aber die Schoten?
Schoten – das sind die Leinen, an denen die Segel festgezurrt werden. Damit die Schoten leichter laufen,
werden sie über Rollen (»Blöcke«) oder knarrende Winschen geführt.
Kiel – »immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel«, auch das wünschen sich Segler. Geht aber nur, wenn man einen Kiel
hat. Hat man keinen, segelt man mit einer Jolle, die mit einem beweglichen Schwert ausgestattet ist. Kielboote können nicht kentern, Jollen nicht
sinken. Ohne das weiter zu vertiefen: Auf der Ostsee empfiehlt sich ein robustes Kielboot, auf Bodden und Binnengewässern, wo man nicht selten
kilometerlang zu Fuß durchs flache Wasser laufen kann, ein Boot mit Schwert.
Und ganz unten im Boot lebt das Kielschwein. Fragen Sie mal, wie es ihm geht.
Luv und Lee – sind ganz wichtig für bestimmte Verrichtungen an Bord. Nur so viel: Lee ist die Seite, auf der man sich über
Bord hängen sollte, wenn man seekrank geworden ist und »die Fische füttert«. Niemals nach Luv spucken, sonst hat man zum Brechreiz auch noch die üble
Laune des Skippers am Hals.
Ganz wichtig sind auch die Kurse, auf denen man segeln kann:
»Hart am Wind« – der wohl berühmteste Kurs. Wenn man als völliger Laie erkannt werden will, dann muss man diesen Kurs so
nennen. Alle anderen sagen »hoch am Wind«. Oder auch nur »am Wind«. Der Wind kommt fast von vorn, das Boot legt sich
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