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Mecklenburg-Vorpommern. Anleitung für Ausspanner

Mecklenburg-Vorpommern. Anleitung für Ausspanner

Titel: Mecklenburg-Vorpommern. Anleitung für Ausspanner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Joseph
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ordentlich auf die Seite und knallt
     mit dem Bug in die Wellen, weil auch die von vorn kommen.Die Schoten werden so stramm gezogen wie es nur geht, der Großbaum ist fast
     mittschiffs. Auf Jollen wird man gnadenlos nass gespritzt, wenn es ganz schlimm kommt, muss man pützen – mit einem Gefäß das Boot ausschöpfen, damit es
     nicht absäuft.

    Halber Wind – wenn der Wind von der Seite kommt. Das ist ein Kurs, der Spaß macht. Das Boot legt sich mitunter recht stark auf
     die Seite, macht aber ordentlich Fahrt.

    Raumer Wind – macht noch mehr Spaß. Der Wind kommt schräg von hinten, und selbst behäbige Boote kommen ins
     Surfen. Geschwindigkeitsrausch bei 10 km/h.

    Achterlicher Wind – da kommt die Brise direkt von hinten. Selbst kräftiger Wind erscheint einem wie ein Hauch. Kaffee und
     Kuchen raus. Aber Vorsicht: Dieser Kurs kann gefährlich werden. Es droht die Halse: Wenn der Großbaum am Mast sich nicht entscheiden kann, in welche
     Richtung er das Großsegel schwenkt, wechselt er manchmal unverhofft die Seiten. Fegt von einer Seite zur anderen und hat so schon manche Jolle zum Kentern
     gebracht.

    Die Halse ist ein wichtiges Manöver auf See, aber nicht das wichtigste. Denn das ist zweifellos die Wende . Leider hat
     ihr Ansehen etwas unter der inflationären Verwendung seit den Ereignissen von 1989 gelitten. Dabei beruht ihr Gebrauch offenbar auf einem
     Missverständnis. Christa Wolf zum Beispiel interpretierte sie eher gewagt in ihrer Rede auf der legendären Alexanderplatz-Demonstration am 4. November
     besagten Jahres: »Mit dem Wort ›Wende‹ habeich meine Schwierigkeiten«, sagte sie. »Ich sehe da ein Segelboot. Der Kapitän ruft: ›Klar
     zur Wende?‹, weil der Wind sich gedreht hat oder ihm ins Gesicht bläst. Und die Mannschaft duckt sich, wenn der Segelbaum über das Boot fegt. Aber stimmt
     dieses Bild noch?«
    Ob dieses Bild stimmt? Da kann man als Segler natürlich nur lachen. Noch nie hat es gestimmt, denn es beschreibt keine Wende, sondern allenfalls den
chaotischen Zustand auf einem Boot, das bald auf Grund liegt. Dabei gibt es kaum ein konzentrierteres Manöver als eine Wende. Man nimmt Fahrt auf, es ertönt
das Kommando (und das ist keine Frage!): »Klar zur Wende!« Dann geht der Bug durch den Wind und auf das Kommando »Re!« werden die flatternden Segel auf der
anderen Seite wieder festgezogen. Voraussetzung für eine Wende ist, dass der Wind sich eben nicht dreht. In der Tat sind es schlechte Kapitäne, die den Kurs
wechseln, wenn ihnen der Wind ins Gesicht weht, da hat Christa Wolf recht. Aber insgesamt ist Segeln wohl kein gutes Bild für das, was vierzig Jahre lang in
der DDR praktiziert wurde.

    Unter Seglern finden sich natürlich auch verschiedene Typen. Es gibt diejenigen, die für jedes noch so kleine Teilchen an Bord einen
     Fachbegriff parat haben. Und es gibt die, die einfach segeln können. Allen gemeinsam ist der grenzenlose Spaß, das Land vom Wasser aus zu betrachten,
     vielen, in einer Gegend unterwegs zu sein, die sich nicht entscheiden kann: Land oder Wasser? Binnengewässer oder offenes Meer? Die Bodden mit ihrer
     Anbindung an die Ostsee, ein bisschen zahmer als das Meer und weniger salzig, gibt es tatsächlich fast nur in Vorpommern: öst- und südlich von Fischland,
     Darß, Zingst, auf der Insel Rügen, an der Ostseite von Usedom. Entlang der Küstenliniedes Saaler, Bodstedter oder auch des Greifswalder
     und wunderschönen Großen Jasmunder Boddens lassen sich endlose Schilfgürtel, verschlafene Fischerdörfer erkunden, dazu versteckte Buchten und lauschige
     Strände entdecken, die einem selbst in der Hochsaison kaum von anderen Seglern streitig gemacht werden.
    Auf diese Weise kann man auch landschaftliche Phänomene erleben, die andere nur mühsam oder nach längerer Wanderung zu sehen bekommen. Das große
     Naturschutzgebiet am Ostzipfel von Fischland, Darß und Zingst zum Beispiel. Wer die Südseite der Halbinsel passiert, erfährt, wie sich das Festland nach
     und nach auflöst und der Bodden zwischen kleinen, hell schimmernden Inselchen im blauen Wasser die offene See berührt. Ein Wattenmeer ohne lästige Ebbe
     und Flut. Zwischen den Erderhebungen ist das Wasser teilweise so flach, dass selbst die Möwen in die Knie gehen müssen, um nass zu werden. Nach jedem
     Sturm sieht die Gegend anders aus. Die Veränderung der Uferlinie – Versandungen und Überschwemmungen – lassen sich hier wie im Zeitraffer
     beobachten. Und von ferne

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