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Mecklenburger Winter

Mecklenburger Winter

Titel: Mecklenburger Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris P. Rolls
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Pferden. Ach, es ist echt zum Haareraufen. Solche Väter sollten vor Gericht geschleift und hart verurteilt werden. Weiß dieser miese Arsch eigentlich, was er seinem eigenen Sohn angetan hat? Nein, dieser dämliche Burghardt sah nur sich selbst und seine panische Furcht vor allem, was entfernt schwul sein und ihn in Versuchung führen könnte. Leon hatte ausbaden müssen, was Burghardts verkorkstes Innenleben bei diesem angerichtet hatte. Das war so gottverdammt unfair.
    Kais Finger fühlten sich gichtig an, als er das Bettzeug heraussuchte, ein Kissen vom Bett nahm und an der Tür stehenblieb. Es war richtig, dass Leon Abstand brauchte, es war falsch, weil er Nähe und Trost spenden konnte. Es war notwendig, dass Leon zur Ruhe kam, es war dringend nötig, dass ihm jemand zeigte, wie begehrenswert er war.
    Seufzend trat Kai den schweren Gang an, bemüht eine Maske zu tragen, hinter der er den giftigen Gefühlscocktail verbergen konnte. Was habe ich denn erwartet? Herz-Schmerz-Versöhnungsex? Ja, ein bisschen schon. Wobei ich mich auch aufs Kuscheln hätte beschränken können.  
    „Hier.“ Seine Stimme klang fest. Leon stand neben der Couch, die Hände in die hinteren Taschen seiner Jeans vergraben, die Schultern nach vorne gebeugt. Er sah sehr jung aus, sehr fertig. „Danke“, kam es ziemlich leise und er nahm Kai das Laken ab. Gemeinsam bezogen sie die Couch. Kai schüttelte das Kopfkissen auf, rückte es zurecht und hob es noch einmal hoch, um es abermals zurechtzuzupfen.
    Zeit schinden. Aber wofür? Was sollte er sagen, wie zu Leon in seinen Bau vordringen, ohne dass ihn dieser für einen weiteren Feind halten würde und sich noch tiefer verkroch?
    „Brauchst du noch was?“ Floskeln. Höflich, nichtssagend, freundschaftlich. Leon schüttelte den Kopf, zupfte an einer Ecke der Bettdecke herum. „Dann … schlaf gut.“ Es klang kühl, distanziert, obwohl Kai das nicht beabsichtigt hatte. Er würde würdevoll das Schlachtfeld verlassen, sich in sein Schlafzimmer zurückziehen und versuchen zu vergessen, dass Leon nebenan war. Gott verdammt, das wird eine beschissene Nacht werden. Kai wusste es jetzt schon. Er würde auf jedes Geräusch lauschen und beim geringsten Anzeichen von Schluchzen oder Weinen senkrecht im Bett sitzen, nur um sich verzweifelt zu sagen, dass er nichts tun konnte, Leon damit allein klarkommen wollte. Genauso gut konnte er auch die Nacht durchmachen.
    Ein anderer Gedanke kam Kai. Vielleicht wollte Leon auch genau das nicht: schwach erscheinen. Kai war mit der Bodoschen Kavallerie angerückt, um seinen Leon aus den Klauen des grausamen Vatermonsters zu befreien. Tapfer hatte er Leons Widerstand überwunden, ihn aus dem Turm geführt und mit seinem vierrädrigen Stahlross in seine heimische Burg in Sicherheit gebracht. Nur … Leon war keine verhuschte Prinzessin im rosa Tütü. Er war ein junger Mann, der gelernt hatte, seine Gefühle zu verbergen, bis hin zur Selbstverleugnung. Kai hatte ihn schon oft schwach erlebt, doch noch nie in einer derart schlimmen Situation wie heute. Es war gut möglich, dass Leon ihm nicht noch mehr Schwäche zeigen wollte.
    Unsinn natürlich, zumindest aus Kais Sicht. Andererseits war er scheinbar immer der Starke, der Geduldige, der Ausdauernde, der selbstbewusste Schwule. Und Leon? Das Landei, unerfahren. Der Schneehase. Er selbst hatte ihn so tituliert. Sicher, dieser Hase konnte zum Tiger werden, Kai wusste es. Allerdings tauchte dieser nur selten auf.
    Ich muss ihm mal wieder Zeit lassen, beruhigte Kai sich, während er die viel zu kurze Distanz zu seiner Schlafzimmertür mit so kurzen und langsamen Schritten wie möglich ausfüllte, ohne zu auffällig zu sein. Geduld. Geduld. Geduld. Es half nichts. Wenn er nicht peinlich werden wollte, musste er durch diesen Türrahmen, über die Schwelle treten, die Tür schließen und sich mit der Einsamkeit seines Zimmers und der Aussicht auf mindestens sechs schlaflose, unglaublich langweiligen Stunden auseinandersetzen.
    Kai griff nach dem Türrahmen, überwand den Widerstand seines kreischenden Herzens mit purer Muskelkraft.
    „Kai?“ Ruckartig blieb dieser stehen. Für einen Moment traute er sich nicht, sich umzudrehen, befürchtete, dass sein jammerndes Herz ihm nur etwas vorgegaukelt hatte, dass er nicht Leons Stimme vernommen hatte, der ihn zurückrief. Zögernd drehte er sich um. Leon stand noch immer neben der Couch, voll bekleidet, die Hände in den Taschen vergraben. Seine Lippen bebten und er kaute

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