Mecklenburger Winter
ausgestreckte Hand Burghardts zu ergreifen. „Er macht Ihnen bestimmt keinen Ärger mehr!“, versicherte dieser. „Mir macht er eigentlich nie Ärger“, kam es Kai vorschnell über die Lippen, mit einem winzigen Hauch von Ärger, der zwar bei Burghardts alkoholfeuchtem Gehirn kaum ankommen würde, sehr wohl aber bei Leons Mutter.
„Ich bringe Sie noch hinaus“, bot sie freundlich an, nickte Leon, der noch immer nichts gesagt hatte, zu. „Geh schon mal nach oben. Du hast bestimmt noch ein paar Hausaufgaben zu machen.“ Ein letztes Mal blickte Kai auf ihn, doch Leon hatte sich bereits wortlos umgedreht und eilte die Treppe nach oben davon. Kais Blick folgte ihm, bis er ganz verschwunden war.
„Danke“, sagte Leons Mutter noch einmal, als sie beide an der Haustür standen. Es hatte aufgehört zu schneien. Kaltes Sternenlicht glitzerte aus dem klaren Nachthimmel, ließ Kai sofort frösteln. „Es ist nett von Ihnen, dass Sie sich so um Leon kümmern“, fuhr Anneliese fort und senkte die Stimme. „Er hat es nicht ganz leicht.“ Sie seufzte, blickte Kai mehrere Sekunden lang intensiv an.
Ob sie etwas ahnt?, schoss es Kai augenblicklich schuldbewusst durch den Kopf. Eine Mutter spürt ja vieles. Habe ich mich etwa mit meinen Blicken verraten? Bestimmt hat sie gemerkt, wie ich ihren süßen Sohn mit meinen Blicken verschlungen und in Gedanken sehr unanständig vernascht habe. Ganz bestimmt. Verlegen biss er sich auf die Lippe.
„Leon mag Sie sehr“, fuhr Frau Lenkowski fort, ohne Kai die Gelegenheit zu geben, sich ihrem Blick zu entziehen. „Ich freue mich darüber. Es ist wichtig, dass er einen richtigen Freund hat.“ Kai wagte es kaum, in ihre Augen zu sehen, doch ihr Blick fing ihn ein. Ihre Hand drückte einmal kurz und kräftig seinen Arm.
Leons Augen. Eindeutig, sie hat seine graugrünen Augen. Wie er, leicht melancholisch, als ob ein fernes Sehnen darin liegen würde. Kai steckte ein Kloß im Hals und er nickte. Was sollte er auch dazu sagen? Hastig stapfte er zu seinem Auto zurück.
Meint sie wohl Freund? Oder eher Freund? Darüber grübelte er die gesamte Fahrt zurück. Wie viel wusste oder ahnte sie und wie stand sie dazu?
23 Männerabend
In der Küche schepperte es laut und Kai sprang fluchend auf. „Was zur Hölle treibt ihr da in meiner Küche?“, rief er zu Basti und Lars, die sich bereit erklärt hatten, die Pizza aus dem Ofen zu holen. „Lars hat ganz aus Versehen deinen Mülleimer über der Pizza entleert“, brüllte Basti zurück und steckte feixend seinen Kopf aus der Küchentür. „Oh Mann, Kai, er hat ihn nur umgestoßen. Du weißt doch, was für ein Trottel er ist“, ergänzte er beschwichtigend. Lars wütender Protest war im Hintergrund zu hören.
Susanne verdrehte die Augen. „Die beiden kannst du keine Minute lang alleine lassen“, schnaubte sie. „Ich hoffe, es gibt hier einen Pizzaservice für Notfälle?“
„Keine Ahnung“, gab Kai zurück. „Notfalls braten wir uns wahlweise Lars oder Basti.“
„Das habe ich gehört!“, rief Lars aus der Küche und schimpfte gleich darauf mit Basti. Kai verdrehte die Augen und sein Blick fiel auf Leon. Dieser grinste und schien sich köstlich zu amüsieren. Er saß neben Dirk auf dem Sofa und ließ sich von diesem gerade ausführlich die Saisonplanung erklären. Susanne warf hin und wieder neckende Bemerkungen ein.
Kai seufzte verhalten. Er hatte Leon bereits zwei Stunden vorher geholt und dieser hatte ihm, wie versprochen, bei den Vorbereitungen für ihren Männerabend geholfen. Burghardt Lenkowski hatte sich dieses Mal mit dummen Bemerkungen zurückgehalten, Leon ermahnt, nicht zu viel zu trinken und Kai keinen Ärger zu machen. Zudem hatte er noch einmal darauf bestanden, dass Leon am Sonntag pünktlich daheim sein sollte. Anneliese hatte Kai nicht gesehen, mit festgefrorenem Lächeln genickt, sich Leon geschnappt und ihn mitgenommen.
Kai hatte eine anstrengende Woche hinter sich und nur das endlich einsetzende Tauwetter und Leons offensichtliche Freude auf den Abend versöhnte ihn. Leons Begeisterung war ansteckend gewesen und Basti, Lars, Susanne und Dirk hatten ihn ebenso herzlich begrüßt, sodass er die ganze Zeit schon strahlend lächelte. Nun warteten sie eigentlich nur noch auf Dirk, den Fotografen.
„Vorsicht: heiß und fettig“, warnte Basti, balancierte ein Blech Pizza zu ihnen ins Wohnzimmer und rief über die Schulter zurück: „Lars schiebe deinen Arsch schnell hierher, ich brauch da
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