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Medea. Stimmen

Medea. Stimmen

Titel: Medea. Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Wolf
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hörte. Die Kolcher scharten sich um sie wie vom Gewitter verstörte Hühner um die Glucke, eine dunkle geduckte Schar an einem düsteren Strand, über den niedrig die Wolken jagten. Ausgesetzt, dachte ich. Nie soll uns das passieren.
    Jason nannte mir die Namen der wenigen Argonauten, die noch bei ihm waren, artig bedankte er sich für die Aufnahme, die die Flüchtenden bei uns finden sollten. Ich mußte ihn daran erinnern, daß er vergessen hatte, mir seine Frau vorzustellen. Das verwirrte ihn entsetzlich. Medea lachte. Nach ihren Augen war es ihr Lachen, an dem man sie erkannte. Ich habe dieses Lachen länger nicht mehr gehört, ich weiß schon, daß wir es sind, die es erstickt haben, leider muß man manches tun, was einem selbst nicht gefällt.
    Noch in der gleichen Nacht brachte sie ihre Kinder zur Welt, es waren Zwillinge, halt, es sind Zwillinge, muß ich sagen, zwei Jungen, gesund und kräftig, der eine blond wie Jason, der andere dunkel und kraushaarig wie sie. Darüber mußte sie wieder unbändig lachen. Die Geburt war nicht schwer. Manchmal hörten wir,die wir uns auf dem Gang zu schaffen machten, aus Medeas Zimmer die Frauen, die bei ihr waren, miteinander schwatzen, sogar singen. Lyssa, von den Palastbediensteten nach der ungewohnten Fröhlichkeit befragt, gab Bescheid, die Geburt sei ein Fest, so solle man sie auch feiern. Es nimmt mich nicht wunder, daß manche unserer Frauen, auch die hochgestellten, sich von den Kolcherinnen ihre Art zu gebären beibringen ließen, aber in den Palast lassen unsere hochgelehrten Ärzte der Kolcherinnen Heilkunst nicht eindringen. Und sie haben recht damit, die Heilweisen der Kolcherinnen passen nicht zu uns. Wenn bei ihnen ein Kind geboren wird, könnte man denken, es sei seine einzige Aufgabe, auf dieser Welt zu sein, und allein dafür gebühre ihm alle Liebe und alle Zuwendung. Das mag ja schön und gut sein, nur ist das natürlich primitiv, und es hat doch keinen Sinn, nach all den Anstrengungen, die man auf sich genommen hat, um sich aus dieser vielleicht warmen, aber doch vor allem beengenden Bruthöhle freizumachen, bei der ersten Gelegenheit wieder in sie zurückzufallen. Die Frauen, nun ja. An manchen konnte man eine merkwürdige Lust beobachten, mit den Fremden zusammenzuhocken, als sei ein Zwang von ihnen genommen. Die nachdenklich distanzierten Blicke, mit denen sie anfingen, ihre Gatten zu mustern. Mir machte das eigentlich Spaß. Ich bin ja kein Freund dieser biederen Männer. Ein Freund dieser sich kühl gebenden Frauen bin ich auch nicht. Ich habe etwas gegen diese klebrigen Freundschaften. Agameda spürt das. Sie ist mir ähnlich. Nun wird es ja sowieso bald vorbei sein mit dem heimlichen Ruhm der Medea als Heilerin. Wer wird noch zu einer Frau gehen, die ihren Bruderermordet hat. Man muß manches tun, was einem wenig behagt.
    Anfangs war sie zutraulich, das hatte durchaus seinen Reiz. Für mich war es kurios, meine Stadt mit ihren Augen zu sehen. Warum, konnte sie fragen, warum gibt es diese zwei Kreons. Der eine steif im Thronsaal, der andere locker bei Tisch, wenn wir unter uns sind. Mir war nie der Gedanke gekommen, daß es anders sein könnte. Damals nämlich speiste König Kreon mit Jason, Medea und mir, da fühlte er sich wohl und ließ sich gehen. Manchmal war die arme Glauke dabei, die eine nervöse Bewunderung für Medea faßte. Ihr Vater, der König, beachtete sie nicht. Das Gerücht geht um, daß Medea ihre Fallsucht heimlich behandelt, und in der Tat scheint Glauke sich zu erholen, schade, daß ich das werde unterbinden müssen. Auf ihre ahnungslosen Fragen versuchte ich Medea klarzumachen, daß Kreon als König nicht Kreon ist oder irgendein anderer beliebiger Mann, überhaupt keine Person, sondern ein Amt, eben der König. Der Arme, sagte sie dann. Erst kürzlich hat Agameda mir gesagt, dabei denke Medea an ihren Vater, den König von Kolchis. Wunderliche Frau.
    Ich gab einer verqueren Regung nach und erklärte Medea, wie Korinth funktioniert, was auch bedeutete, sie nach und nach wissen zu lassen, auf welche Weise ich meine Macht ausübe, zu der gehört, daß sie unsichtbar bleibt und jedermann, besonders der König, fest überzeugt ist, er allein, Kreon, sei die Quelle der Macht in Korinth. Ich konnte dem Kitzel nicht widerstehen, die Einsamkeit und Verschwiegenheit, zu der ich verurteilt bin, zu durchbrechen und diese Frau, die nicht vonunserer Welt ist, zu einer Art Vertrauten zu machen; es erheiterte mich, daß sie das Geschenk,

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