Media Control
wie Richter Gurfein und Anthony Lewis reagieren ablehnend auf Versuche, »Medienexzesse« zu kontrollieren und ihnen einen Maßstab für »verantwortliches Handeln« aufzuzwingen.
Im Zentrum dieser lebhaften Debatten über Medien und Demokratie stehen zwei Probleme: Das eine betrifft die Frage nach Tatsachen, das andere die nach Werten. Zunächst zum Problem der Tatsachen: Haben die Medien wirklich eine, vielleicht übereifrige, Regierungskritik betrieben und während des Kriegs die Verteidigung der Freiheit untergraben und durch Geißelungsrituale freie Institutionen gefährdet? Sollte das der Fall sein, müßte erwogen werden, ob die Medien durch von außen auferlegte Beschränkungen zu den Grenzen ihrer Verantwortung zurückfinden. Man könnte sich jedoch auch der Auffassung von Richter Holmes anschließen, der in einer klassischen Urteilsbegründung meinte: »Die beste Prüfung der Wahrheit besteht darin, daß die Macht des Denkens sich [über] den freien Handel mit Ideen im Wettbewerb auf dem Markt durchsetzt.« 13
Um die Tatsachen wird kaum gestritten; der Fall scheint bewiesen und abgeschlossen. Einige jedoch halten die Beweisaufnahme schlicht für falsch. Beginnen wir mit der allgemeinsten Voraussetzung, dem freien Markt der Ideen. Benjamin Ginsberg hat untersucht, wie die öffentliche Meinung zur Förderung staatlicher Macht mobilisiert werden kann. Er bemerkt dazu:
»Westliche Regierungen haben Marktmechanismen bedient, um die Perspektiven und Denkweisen der öffentlichen Meinung zu beeinflussen. Der im 19. und 20. Jahrhundert errichtete ›Marktplatz der Ideen‹ dient im wesentlichen zur Verbreitung von Auffas-sungen und gedanklichen Vorstellungen der oberen Schichten, während er die ideologische und kulturelle Unabhängigkeit der unteren Klassen untergräbt. Indem die westlichen Regierungen diesen Markt errichteten, schmiedeten sie feste und dauerhafte Bindungen zwischen der sozioökonomischen Position und der ideologischen Macht und gaben den Oberschichten die Möglichkeit, die eine durch die andere zu stützen ... Gerade in den Vereinigten Staaten hat die Beherrschung des Marktplatzes der Ideen durch die Ober- und Mittelschichten dazu geführt, die politische Wahrnehmungsweise der gesamten Gesellschaft und das Spektrum der für realistisch gehaltenen politischen und gesellschaftlichen Möglichkeiten gemäß dem Interesse dieser Schichten zu formen. Im Westen wird der Marktplatz gerne mit Meinungsfreiheit gleichgesetzt, doch kann die unsichtbare Hand des Marktes ein ebenso wirksames Kontrollinstrument sein wie die eiserne Faust des Staats.«
Wenn man von nicht besonders umstrittenen Annahmen über die Funktion eines geleiteten »freien Markts« ausgeht, sind Ginsbergs Folgerungen durchaus plausibel. Jene Medien, die ein zahlenmäßig umfangreiches Publikum erreichen, gehören Großkonzernen, die ihrerseits Bestandteil noch umfassenderer Konglomerate sind. Wie andere Firmen, verkaufen die Medien an Kunden ein Produkt auf dem Markt. Ihr Markt ist die Werbung, ihre Kunden sind die Auftraggeber für Anzeigen, ihr »Produkt« sind die Konsumenten, deren Wohlhabenheit das Anzeigenvolumen erhöht. 15 Bereits vor einem Jahrhundert bemerkten britische Liberale, daß der Markt jene Zeitungen fördert, »die von Anzeigenkunden bevorzugt werden«. Im nämlichen Geist kommentierte Paul Johnson vor kurzem, als ein neues Journal der Linken sein Erscheinen einstellen mußte: »Der Markt hatte gleich zu Beginn sein Urteil gesprochen, als er sich weigerte, das Startkapital durch Abonnements zu decken«, und sicher kann niemand, der rechtlich denkt, bezweifeln, daß der Markt den Willen der Öffentlichkeit repräsentiert. 16
Die großen Medien - vor allem die tonangebenden der Elite - sind Konzerne, die anderen Firmen ein privilegiertes Publikum »verkaufen«. Es kann insofern nicht über-raschen, wenn das von ihnen präsentierte Bild der Welt die Sichtweisen und Interessen der an diesem Handel Beteiligten widerspiegelt. Überdies nimmt die Konzentration von Eigentum im Medienbereich ständig zu. 17 Ferner gehören Manager und Chefredakteure ebenfalls zur privilegierten Elite und dürften daher die Wahrnehmungen, Erwartungen und Einstellungen ihrer Partner, die auch ihre eigenen Klasseninteressen reflektieren, teilen. Wer als Journalist in diesem System Karriere machen will, muß sich diesem ideologischen Druck durch Verinnerlichung des Wertekanons beugen; es ist nicht leicht, etwas anderes zu behaupten, als man
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