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die Ausweisung rechtens sei, weil er das Land illegal betreten habe - er war im Juli 1985 von der israelischen Marine gekidnapt worden, als er auf der Hamdallah vom Libanon nach Zypern reisen wollte. Der Oberste Gerichtshof schloß sich der Begründung der Staatsanwaltschaft an. 213
Die Entführung der Achille Lauro war ein Vergeltungsschlag für die Bombardierung von Tunis, was der Westen mit Recht als Rechtfertigung eines terroristischen Akts nicht gelten ließ. Der Angriff auf Tunis wiederum war die Vergeltung für den Mord an drei Israelis auf Zypern. Verantwortlich dafür war eine Gruppe, die, wie Israel einräumte, Verbindungen nach Damaskus, nicht aber nach Tunis besaß. Tunis wurde als Ziel des Vergeltungsanschlags gewählt, weil es ungeschützter war; auch die Bombardierung libyscher Städte durch die US-Luftwaffe einige Monate später erfolgte z.T. aus diesem Grund. Die Morde von Zypern wurden von den Terroristen als Vergeltung für die israelischen Schiffsentführungen des vorangegangenen Jahrzehnts bezeichnet. Dazu schwiegen die Medien, die zuvor noch mit Außenminister Shultz die Bombardierung von Tunis für eine »legitime Reaktion« gehalten hatten. Auch der Terminus »Vergeltung« bedarf eben einer angemessenen Interpretation.
Das gilt auch für andere Begriffe wie z. B. das »Verhindern« oder »Vermindern« von Gewalt. Ein Zeitungsbericht zitierte den israelischen Stabschef mit den Worten: »In den vergangenen Wochen hat sich die Anzahl der Palästinenser, die in den besetzten Gebieten des Westjordanlands und des Gaza-Streifens verwundet wurden, nahezu verdoppelt, dennoch ist es der Armee nicht gelungen, dort die Gewalt zu vermindern.« Diese Verlautbarung ergibt erst dann Sinn, wenn man sich die Zusammenhänge näher anschaut. Kurz zuvor hatte Verteidigungsminister Jitzhak Rabin der Armee die Verwendung von Plastikgeschossen erlaubt und dabei bemerkt, daß es »gerade unser Ziel ist, bei Teilnehmern an gewaltsamen Aktivitäten für mehr Verwundete zu sorgen«. Er erklärte auch, was unter »gewaltsamen Aktivitäten« zu verstehen sei: »Wir wollen einigen Leuten in ablegenen Dörfern die Illusion nehmen, daß sie sich selbst befreit haben.« Die Palästinenser »müssen begreifen, daß eine Lösung nur friedlich herbeigeführt werden kann«. Darum, so der Bericht weiter, führe die Armee in entlegenen Ortschaften, die sich selbst zu »befreiten Zonen« erklärt hatten, Razzien durch, in deren Verlauf die Zahl der Verwundeten zugenommen habe. Die Armee, so eine Sprecherin, wolle »durch verstärkte Präsenz und umfangreichere Verhaftungen ... Gewalttaten verhindern«. 214
Jetzt verstehen wir den anfangs zitierten Satz schon besser: Die israelische Armee hat ihre Gewaltanstrengungen in den besetzten Gebieten verdoppelt, indem sie die Zahl der Verwundeten vermehrte und ihre Angriffe auf Ortschaften ausdehnte, die ihre Angelegenheiten eigenständig regeln wollten. Allerdings ist es ihr bis jetzt noch nicht gelungen, den Menschen die Illusion einer möglichen Selbstbefreiung zu nehmen. Für die israelischen Behörden und die US-amerikanischen Medien sind diese Autonomiebestrebungen »Gewalt«, die brutalen Angriffe der Armee dagegen »Verhinderung von Gewalt«. George Orwell wäre höchst beeindruckt.
Was diese Aktionen im einzelnen bedeuteten, erhellte sich aus einem weiteren Zeitungsbericht, der einige Tage später beschrieb, wie israelische Soldaten in einem ablegenen Ort, »der vom Militär bislang ignoriert worden war«, drei Palästinenser erschossen. Rabin »hatte zwei Wochen zuvor verkündet, daß die Armee auch in solchen Dörfern ihre Tätigkeit verstärken würde, um die Einwohner daran zu erinnern, wo sie leben und wer das Sagen hat«. Die Razzia gehörte zu einer »Offensive zur Verhinderung von Gewalt«. Wohl deshalb wurden in dem Gebiet später Fahrzeuge mit Steinen beworfen. 215
Geeignete Interpretationen vermitteln uns also den Eindruck, daß die Vereinigten Staaten und ihre Vasallen Demokratie, Sozialreformen und Selbstbestimmung gegen Kommunisten, Terroristen und gewalttätige Elemente aller Art verteidigen. Die Medien haben die Aufgabe, die »Demokraten« zu lobpreisen und den offiziellen Feind - die Sandinisten, die PLO oder wer sonst noch im Weg steht - zu dämonisieren. Das erfordert gelegentlich einige Drahtseilakte, aber insgesamt ist man der Heraus-forderung gerecht geworden.
Unser »Verlangen nach Demokratie« wird von einem ebenso tiefen »Verlangen nach Frieden«
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