Media Control
erhoben oder, wie im Fall des Obersten Bundesrichters William Brennan, die Israelis für ihren »Mut bei der Bewahrung der bürgerlichen Freiheiten« lobten, 228 schwiegen, als das israelische Innenministerium 1986 zwei Jerusalemer Zeitungen, Al-Mithaq und Al-Achd, dichtmachte, weil sie die Meinungsfreiheit mißbraucht hätten, um »dem israelischen Staat zu schaden«. Sie hätten, so lautete der Vorwurf, Unterstützung von Israel feindlich gesonnenen Gruppen erhalten. Das Oberste Gericht bestätigte diese Entscheidung: »Es ist undenkbar, daß der Staat Israel terroristischen Organisationen, die ihn zerstören wollen, erlauben kann, auf seinem Territorium geschäftlich tätig zu sein, auch wenn diese Tätigkeit als solche legitim ist.« 229
Als 1987 La Prensa wieder erscheinen konnte, kam es in Israel und den besetzten Gebieten zu weiteren Schließungen: In Nazareth wurde eine politische Zeitschrift aufgrund ihrer »extrem nationalistischen Ausrichtung« verboten, und in Nablus schloß man ein arabisches Nachrichtenbüro für zwei Jahre. Der Besitzer war bereits wegen des Verdachts auf »Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation« seit sechs Monaten in Haft. Solche Aktionen sind »legal«, weil in Israel seit der Gründung des Staats 1948 der Notstand herrscht. 230 Die US-Medien schwiegen auch, als das in Nazareth erscheinende Wochenblatt AL-Raja per Dekret des Innenministeriums eingestellt wurde, nachdem der Herausgeber drei Monate lang ohne Gerichtsverfahren im Gefängnis gesessen hatte. 231
An dieser so ungleich verteilten Aufmerksamkeit der Medien läßt sich ablesen, daß die bekennenden Hüter bürgerlicher Freiheiten in den USA der Meinungs- und Pressefreiheit höchst abschätzig gegenüberstehen. Kritiker der sandinistischen Medienpolitik, die bereit wären, ihre Maßstäbe auch auf andere Länder zu übertragen, muß man mit der Lupe suchen. 232
Auch die von Richter Brennan so gepriesene Rechtsprechung wird von der hebräischsprachigen Presse in Israel etwas anders gesehen: »Dem israelischen Journalismus fehlen jegliche Garantien für seine Freiheit. Der Staat kann zu ihrer Einschränkung Maßnahmen ergreifen, die keiner anderen demokratischen Gesellschaft in der Welt zur Verfügung stehen.« Sie stammen noch aus der britischen Mandatszeit und wurden von der israelischen Regierung gleich nach der Staatsgründung wieder in Kraft gesetzt. Zu ihnen gehört die Möglichkeit, Veröffentlichungen zu verbieten oder zu bestrafen, die »die Einwohner des Landes zu Ungehorsam oder Unzufriedenheit« anstacheln oder »den staatlichen Behörden Ungelegenheiten« bereiten könnten. Das Innenministerium kann »das Erscheinen einer Zeitschrift jederzeit beenden, wenn sie Lügen oder falsche Gerüchte verbreitet hat, die nach Ansicht des Ministeriums Panik oder Verzweiflung auszulösen vermögen«. Solche Maßnahmen tragen ebenso zur Selbstzensur bei wie die offizielle Zensur. Der Zensor kann die Verbreitung von Informationen verhindern, die »seiner Ansicht nach der Landesverteidigung sowie der öffentlichen Ordnung und Sicherheit abträglich sind«, und er hat die Macht, Verstöße gegen diese Regelungen ohne Gerichtsverfahren zu ahnden, bemerkt der israelische Rechtswissenschaftler Mosche Negbi. Daß die Unabhängigkeitserklärung von 1948 keinen Passus über die Meinungsfreiheit enthält, ist Negbi zufolge kein Zufall, sondern verdankt sich der Einschätzung des ersten Premierministers, David Ben-Gurion, der den Staat von jeglicher Kritik an Aktionen, die er für richtig hält, ausgenommen wissen wollte. Überdies muß der israelische Staat Einstellungsverfügungen oder Lizenzverweigerungen für Zeitschriften nicht weiter begründen. 233
In den Vereinigten Staaten nahm man von diesen Einschränkungen der Pressefreiheit in Israel erst Notiz, als die Reaktionen auf die erste Intifada von 1987 überaus gewalttätig ausfielen. Aber erst im Mai 1988 versicherte der frühere Herausgeber der New York Times, A. M. Rosenthal, daß die Zensur in Israel »die Kritik des Westens verdient und auch bekommt«. 234 Konkrete Schritte wurden jedoch nicht unternommen; auch in dieser Hinsicht bleibt die Aufregung um die Pressefreiheit in Nicaragua zynische Heuchelei.
Als John Dewey in den dreißiger Jahren »unsere unfreie Presse« erörterte, bemerkte er, daß die Kritik »bestimmter Mißbräuchlichkeiten« nur begrenzten Wert habe:
»Wirklich grundlegend läßt sich das Problem nur angehen, wenn man die zwingenden
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