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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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deinen Augen sein.<« Das Dumme war, dass Rob nur, indem er zuschaute, nicht herausbekam, wie die Juden die tefillin anlegten. Er konnte auch Simon nicht ersuchen, es ihm zu zeigen, denn es wäre merkwürdig gewesen, wenn ein Christ einen Ritus des jüdischen Gottesdiensts lernen wollte. Simon erzählte zwar, dass sie sich den Riemen zehnmal um den Arm schlagen, aber was sie mit der Hand taten, war kompliziert, denn sie verflochten den Lederriemen auf eine besondere Art, mit den Fingern, die er nicht herausfinden konnte.
    Er stand in dem kräftig riechenden Stall und wand sich statt der ledernen tefillin eine alte Schnur um den linken Arm, aber so, wie er die Schnur um Hand und Finger wand, ergab es keinen Sinn. Die Juden waren jedoch die geborenen Lehrer, und er lernte jeden Tag etwas Neues. In der Klosterschule von St. Botolph hatten ihm die Priester beigebracht, dass der Gott des Alten Testaments Jehova war. Aber als er Jehova erwähnte, schüttelte Meier den Kopf.
    »Ihr müßt wissen, dass für uns der Herr unser Gott, gelobt sei Er, sieben Namen besitzt. Das ist der heiligste.« Mit einem Stück Kohle aus dem Kamin schrieb er das Wort sowohl in Persisch als auch in seiner Sprache auf den Holzboden: Jahwe .
    »Es wird nie ausgesprochen, denn die Identität des Allerhöchsten ist unaussprechlich. Das Wort wird von den Christen falsch ausgesprochen, wie Ihr es getan habt. Aber der Name ist nicht Jehova, versteht Ihr?« Rob nickte.
    Am Abend ließ er sich auf dem Strohsack die neuen Worte und Sitten durch den Kopf gehen, und bevor ihn der Schlaf überwältigte, kam ihm ein Satz ins Gedächtnis, ein Bruchstück eines Segens, eine Gebärde, eine besondere Aussprache, der ekstatische Ausdruck auf einem Gesicht während des Gebetes, und er speicherte diese Dinge in seinem Gedächtnis für den Tag, an dem er sie brauchen würde.

    »Ihr müßt Euch von der Enkelin des rabbenu fernhalten«, riet ihm Meier stirnrunzelnd.
    »Ich bin nicht an ihr interessiert.« Seit sie beim Melken miteinander gesprochen hatten, waren Tage vergangen, und er war ihr seither nicht in die Nähe gekommen.
    Vergangene Nacht hatte er sogar von Mary Cullen geträumt.
    Meier nickte. »Gut. Eine der Frauen hat gesehen, wie sie Euch sehr interessiert beobachtete, und es dem rabbenu erzählt. Er hat mich ersucht, mit Euch zu sprechen.« Meier legte den Zeigefinger an seine Nase. »Ein ruhiges Wort zu einem klugen Mann ist besser, als ein Jahr lang einem Narren zuzureden.«
    Rob war erschrocken und beunruhigt, denn er musste in Tryavna bleiben, um die Verhaltensweisen der Juden zu studieren und Persisch zu lernen. »Ich will keine Schwierigkeiten wegen einer Frau.«
    »Natürlich nicht«, seufzte Meier. »Probleme macht das Mädchen, das heiraten sollte. Sie ist seit ihrer Kindheit mit Reb Meschullum ben Moses, dem Enkel von Reb Baruch ben David, verlobt. Ihr kennt Reb Baruch? Ein großer, hagerer Mann, langes Gesicht, schmale, spitze Nase. Er sitzt im Studierhaus auf der anderen Seite des Feuers.«
    »Ach der! Ein alter Mann mit fanatischen Augen.«
    »Er hat fanatische Augen, weil er ein fanatischer Gelehrter ist. Wäre der rabbenu nicht der rabbenu , würde Reb Baruch der rabbenu sein. Sie waren schon immer als Gelehrte Rivalen und enge Freunde. Als ihre Enkelkinder noch klein waren, vereinbarten sie mit großer Freude eine Heirat, um ihre Familien zu vereinigen. Dann kam es zu einem schrecklichen Zwist, der ihrer Freundschaft ein Ende machte.«
    »Warum haben sie gestritten?« fragte Rob, der sich allmählich in Tryavna so sehr zu Hause fühlte, dass er auch den Klatsch ein wenig genoß.
    »Sie haben gemeinsam einen jungen Stier geschlachtet. Nun müßt Ihr verstehen, dass unsere Gesetze von kaschrut alt und kompliziert sind und Vorschriften und Auslegungen darüber enthalten, wie das Fleisch sein muss und wie es nicht sein darf. In der Lunge des Tieres wurde ein geringfügiger Makel entdeckt. Der rabbenu zitierte Präzedenzfälle, laut denen der Makel unerheblich war und das Fleisch keineswegs unbrauchbar machte.
    Reb Baruch zitierte andere Präzedenzfälle, laut denen das Fleisch durch den Makel unbrauchbar war und nicht gegessen werden durfte. Er bestand darauf, dass er recht hatte, und nahm es dem rabbenu übel, dass er seine Gelehrsamkeit in Frage stellte. Sie stritten, bis der rabbenu schließlich die Geduld verlor. >Schneidet das Tier in zwei Hälften<, befahl er. >Ich werde meinen Teil nehmen, und Baruch kann mit seinem Teil tun, was ihm

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