Medicus 01 - Der Medicus
ich die Karawane. Wir werden genau nach Süden zu der Stadt Malkara abschwenken, wo es einen großen Viehmarkt gibt, auf dem ich hoffentlich Schafe kaufen kann. Und dann reisen wir zu der anatolischen Hochebene, auf die ich die größten Hoffnungen setze. Ich würde mich freuen, wenn Ihr uns begleitet.« Er schwieg und blickte Rob ruhig an. »Ihr seid stark und gesund. Ihr habt Mut, sonst würdet Ihr Euch nicht so weit in die Welt hinauswagen, um Geschäfte zu machen und eine bessere Stellung in der Welt zu erreichen. Ihr seid nicht der Mann, den ich für sie ausgesucht hätte, aber sie will Euch. Ich liebe sie und möchte sie glücklich sehen.
Sie ist alles, was ich habe.«
»Master Cullen...« begann Rob, doch der Schafzüchter unterbrach ihn.
»Es handelt sich hier um keine Ware, die angeboten wird, oder um ein Geschäft, das leichtfertig abgeschlossen wird. Ihr müßt darüber nachdenken, Mann, wie ich es getan habe.«
Rob dankte ihm höflich, als hätte man ihm einen Apfel oder Konfekt angeboten, und Cullen kehrte zu seinem Lagerplatz zurück.
Rob verbrachte eine schlaflose Nacht, in der er zum Himmel starrte. Er war nicht dumm und wusste genau, dass Mary etwas Besonderes war. Und wunderbarerweise liebte sie ihn. Einer solchen Frau würde er niemals wieder begegnen.
Und Land. Gütiger Gott, Land!
Ihm wurde ein Leben in Aussicht gestellt, wie es weder sein Vater noch einer seiner Vorfahren sich je erträumt hätten. Er würde über gesicherte Arbeit und ein gutes Einkommen, über Ansehen und Verantwortung verfügen.
Über Besitz, den er seinen Söhnen vererben konnte. Ein Dasein, das er noch nie kennengelernt hatte, wurde ihm zu Füßen gelegt: eine liebende Frau, von der er berauscht war, und eine gesicherte Zukunft als einer der wenigen Menschen, die Land besaßen.
Er warf und wälzte sich hin und her.
Am nächsten Tag kam sie mit dem Rasiermesser ihres Vaters, um ihm die Haare zu schneiden. »Nicht über den Ohren.«
»Dort sind sie aber besonders struppig. Und warum rasierst du dich nicht? Die Stoppeln lassen dich ganz wild aussehen.«
»Ich werde den Bart stutzen, wenn er länger ist.« Er zog das Tuch von seinen Schultern. »Weißt du, dass dein Vater mit mir gesprochen hat?«
»Er hat natürlich zuerst mit mir gesprochen.«
»Ich werde nicht mit euch nach Malkara reisen, Mary.« Nur ihr Mund und ihre Hände verrieten, was sie empfand. Ihre Hände schienen ruhig auf ihrem Rock zu liegen, hielten aber das Rasiermesser so fest, dass die Knöchel weiß durch die Haut schimmerten.
»Schließt du dich uns an einem anderen Ort an?«
»Nein.« Es war schwierig. Er war nicht gewohnt, so ehrlich mit Frauen zu sprechen. »Ich fahre nach Persien, Mary.«
»Du willst mich nicht.«
Die bestürzte Trauer in ihrer Stimme machte ihm klar, wie unvorbereitet sie auf eine solche Möglichkeit gewesen war. »Ich will dich, aber ich habe es mir immer wieder überlegt, und es ist unmöglich.«
»Warum unmöglich? Hast du schon eine Frau?«
»Nein, nein. Aber ich reise nach Isfahan in Persien. Nicht, um erfolgreich Handel zu treiben, wie ich euch erzählt habe, sondern um Medizin zu studieren.«
Ihr Gesichtsausdruck verriet ihre Verwirrung. Sie fragte sich, was die Medizin im Vergleich zum Besitz der Cullen-Tochter war. »Ich muss Arzt werden.« Es hörte sich wie eine unmögliche Ausrede an. Er empfand ein seltsames Schamgefühl, als gestehe er ein Laster oder eine andere Schwäche ein. Er versuchte nicht, ihr das alles zu erklären, denn es war kompliziert, und er verstand es selbst nicht. »Deine Arbeit macht dich elend. Du weißt, dass es so ist. Du hast es mir erzählt und dich darüber beklagt, dass sie dich quält.«
»Was mich quält, ist meine Unwissenheit und Unfähigkeit. In Isfahan werde ich lernen, jenen zu helfen, für die ich jetzt nichts tun kann.«
»Kann ich nicht bei dir bleiben? Mein Vater könnte uns doch begleiten und dort Schafe kaufen.« Das Flehen in ihrer Stimme und die Hoffnung in ihren Augen warnten ihn davor, sie zu trösten. Er erklärte ihr, dass die Kirche den Besuch islamischer Akademien mit dem Bann belegt habe, und gestand ihr, was er vorhatte. Sie wurde blaß, als sie allmählich begriff. »Du riskierst die ewige Verdammnis.«
»Ich kann nicht glauben, dass ich meine Seele verwirken werde.«
»Ein Jude!« Sie wischte das Rasiermesser gedankenverloren mit dem Tuch ab und tat es wieder in das kleine Ledersäckchen. »Ja. Du siehst also, dass ich es allein tun
Weitere Kostenlose Bücher