Medicus 01 - Der Medicus
große Schwarze Meer befänden. In der Luft lag ein erfrischender Salzgeschmack, der Rob an die Heimat erinnerte und ihn beflügelte. Am nächsten Vormittag erklomm die Karawane einen Hügel, und vor ihnen lag Konstantinopel wie eine Traumstadt ausgebreitet.
Die letzte christliche Stadt
Der Stadtgraben war breit, und als sie die Zugbrücke überquerten, erblickte Rob in der grünen Tiefe Karpfen, die so groß wie junge Schweine waren. Die innere Böschung war als Brustwehr aufgeschüttet, und fünfundzwanzig Fuß dahinter erhob sich eine massive Mauer aus dunklen Steinen, die vielleicht hundert Fuß hoch war. Wachtposten gingen oben von einer Zinne zur anderen.
Zwanzig Schritt weiter ragte eine zweite Mauer empor, die der ersten genau glich. Konstantinopel war eine Festung mit vier Verteidigungslinien.
Sie kamen durch zwei große Tore. Die riesige Pforte der Innenmauer war dreifach überwölbt und mit der stolzen Bronzestatue eines Mannes, zweifellos eines frühen Herrschers, und fremdartigen Tieren geschmückt. Die Tiere waren massiv und kräftig, hatten große Ohren, kurze, dünne Schwänze und etwas, das wie ein längerer Schwanz aussah und drohend aus ihren Gesichtern herauswuchs. Rob ließ die Stute anhalten, um die Tiere betrachten zu können. Hinter ihm schrie Gerson, und Tuveh ben Meier stöhnte. »Kommt, setzt Euren Arsch in Bewegung, Inghiliz !« rief er.
»Was sind das?«
»Elefanten. Habt Ihr noch nie Elefanten gesehen, bedauernswerter Fremder?«
Rob schüttelte den Kopf und drehte sich um, als er weiterfuhr, um sich die Geschöpfe anzusehen. Die ersten Elefanten, die er sah, waren nur so groß wie Hunde und aus Metall gegossen, dessen Patina fünf Jahrhunderte alt war.
Karl Fritta führte sie zur Karawanserei, einem riesigen Verkehrshof, durch den Reisende und Frachten in die Stadt gelangten und durch den sie sie verließen. Es war ein riesiger, ebener Platz, den Lagerhäuser zur Aufbewahrung der verschiedenen Güter, Pferche für die Tiere und Rasthäuser für die Reisenden säumten. Fritta war ein erfahrener Anführer, wich den lärmenden Haufen im Hof der Karawanserei aus und brachte seine Schutzbefohlenen zu einer Reihe von Herbergen, die als künstliche Höhlen in die angrenzenden Hügel gegraben waren und den Karawanen Kühle und Unterkunft boten. Die meisten Reisenden verbrachten nur einen oder zwei Tage in der Karawanserei, um sich zu erholen, Wagen instandzusetzen oder Pferde gegen Kamele einzutauschen, dann folgten sie einer römischen Straße nach Süden Richtung Jerusalem. »Wir werden in ein paar Stunden aufbrechen«, sagte Meier zu Rob, »denn wir sind nur noch zehn Tagereisen von unserem Zuhause in Angora entfernt und möchten unsere Verantwortung loswerden.«
»Ich möchte eine Weile hierbleiben.«
»Wenn Ihr beschließt abzureisen, sucht den kervanbashi, den Obersten der Karawanen, auf. Er heißt Zevi. Als junger Mann war er Treiber, dann Karawanenführer, der Kamelkarawanen über alle Routen leitete. Er kennt die Reisenden, ist Jude und ein anständiger Mann. Er wird dafür sorgen, dass Ihr sicher reist.«
Rob gab jedem einzeln die Hand. Er verabschiedete sich mit Bedauern von ihnen, denn sie waren freundlich zu ihm gewesen. Der Abschied fiel ihm außerdem schwer, weil er sich von dem Buch trennen musste, das ihn in die persische Sprache eingeführt hatte. Nun fuhr er allein durch Konstantinopel, eine riesige Stadt, die wohl größer als London war. Von ferne hatte der Ort in der warmen, klaren Luft scheinbar zwischen dem Blau des Himmels und dem ebenfalls blauen Marmarameer im Süden geschwebt. War man im Inneren, offenbarte sich Konstantinopel als eine Stadt voll steinerner Kirchen, die sich über engen Straßen erhoben, auf denen es von Reitern auf Eseln, Pferden und Kamelen, von Sänften, Karren und Wagen aller Art wimmelte. Kräftige Träger in einer einheitlichen Tracht aus grobem braunem Stoff schleppten unglaubliche Lasten auf dem Rücken oder auf Gestellen, die sie wie Hüte auf dem Kopf trugen. Auf einem Platz machte Rob kurz halt und betrachtete eine Statue, die auf einer hohen Porphyrsäule stand und die Stadt überblickte. Die lateinische Inschrift verriet ihm, dass es Konstantin der Große war. Die Priester waren von Konstantin sehr eingenommen, denn er war der erste römische Kaiser, der sich hatte zum Christentum bekehren lassen. Seine Bekehrung bedeutete die Rettung für die christliche Kirche, und als er mit Waffengewalt die alte Griechenstadt Byzanz erobert
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