Medicus 01 - Der Medicus
Perser zuckte mit den Achseln. »Wenn Ihr es Euch überlegt, Meister, mit mir macht Ihr als Führer ein gutes Geschäft, ich bin sehr billig.«
Einen Augenblick später ging einer der hochgeborenen normannischen Pilger an dem Ballen vorbei, auf dem Rob saß. Er stolperte und fiel gegen ihn.
»Du Scheißkerl«, sagte er und spuckte vor ihm aus. »Du Jude!« Rob stand mit rotem Gesicht auf. Der Normanne griff bereits nach seinem Schwert.
Plötzlich stand Zevi zwischen ihnen. »Ich bitte tausendmal um Vergebung, Mylord, zehntausendmal! Ich werde mich mit dem Kerl befassen.« Schon schob er den erstaunten Rob vor sich her. Als sie in Sicherheit waren, hörte sich Rob den Wortschwall an, den Zevi von sich gab, und schüttelte den Kopf.
»Ich beherrsche die Sprache nicht sehr gut. Aber ich habe dem Franzosen gegenüber Eure Hilfe nicht gebraucht.« Rob suchte nach den entsprechenden Worten in Parsi. »Meint Ihr? Man hätte Euch umgebracht, junger Ochse!«
»Es war meine Angelegenheit.«
»Nein und nochmal nein! In einem Ort voller Mohammedaner und betrunkener Christen tötet man einen einzelnen Juden genauso, wie man eine Dattel ißt. Sie hätten viele von uns getötet, und deshalb war es durchaus auch meine Angelegenheit.« Zevi starrte ihn wütend an. »Was für ein jahud seid Ihr, der Persisch spricht wie ein Kamel, seine eigene Sprache nicht beherrscht und Streit sucht? Wie heißt Ihr und woher kommt Ihr?«
»Ich bin Jesse, Sohn des Benjamin, ein Jude aus Leeds.«
»Wo zum Teufel liegt Leeds?«
»In England.«
»Ein Inghili !« staunte Zevi. »Noch nie im Leben habe ich einen Juden kennengelernt, der ein Inghili war.«
»Wir sind nur wenige und leben verstreut. Es gibt dort keine Gemeinde. Keinen rabbenu , keinen schochet , keinen maschgiot . Kein Studierhaus und keine Synagoge. Daher hören wir die Sprache nur selten, und deshalb spreche ich sie so schlecht.«
»Schlimm, seine Kinder an einem Ort aufziehen zu müssen, wo sie ihren eigenen Gott nicht spüren und ihre eigene Sprache nicht hören.« Zevi seufzte. »Es ist oft schwer, ein Jude zu sein.« Als Rob fragte, ob er vielleicht von einer großen Karawane mit Begleitschutz erfahren habe, die Isfahan zum Ziel habe, schüttelte er den Kopf.
»Ein Führer hat mich angesprochen«, erwähnte Rob. »So ein persischer Gauner mit einem kleinen Turban und schmuddeligem Bart?« schnaubte Zevi. »Der würde Euch geradewegs Halsabschneidern ans Messer liefern. Ihr würdet mit durchschnittener Kehle in der Wüste liegenbleiben, und Eure Habseligkeiten würden gestohlen werden. Nein, Ihr seid in einer Karawane unseres Volkes besser dran.« Er dachte lange nach. »Reb Lonzano«, erklärte er endlich. »Reb Lonzano?«
Zevi nickte. »Ja, möglich, dass Lonzano die beste Lösung darstellt,« In der Nähe brach ein Streit unter Treibern aus, und jemand rief Zevis Namen. Er verzog.das Gesicht. »Diese Nachkommen von Kamelen, diese räudigen Schakale! Ich habe jetzt keine Zeit. Ihr könnt wiederkommen, wenn diese Karawane aufgebrochen ist. Kommt am späten Nachmittag in meine Hütte hinter der Hauptherberge. Dann können wir alles besprechen.«
Als Rob einige Stunden später wiederkam, fand er Zevi in der Hütte, die ihm in der Karawanserei als Bleibe diente. Drei Juden waren ebenfalls anwesend. »Das ist Lonzano ben Era«, stellte er Rob einen Mann vor, den ältesten von ihnen, der sichtlich der Anführer war. Er hatte braunes Haar und einen braunen Bart, in dem noch kein grauer Faden zu finden war, doch der dadurch entstehende Eindruck von Jugendlichkeit wurde von seinem zerfurchten Gesicht und seinen ernst blickenden Augen Lügen gestraft.
Loeb ben Kohen und Arieh Askari waren vielleicht um zehn Jahre jünger als Lonzano. Loeb war groß und schlank, Arieh ziemlich untersetzt und breitschultrig. Beide hatten das dunkle, wettergegerbte Gesicht reisender Kaufleute, enthielten sich aber jeder Meinungsäußerung und warteten Lonzanos Entscheidung ab. »Sie sind Kaufleute und unterwegs nach Masqat jenseits des Persischen Golfes, wo sie zu Hause sind«, erklärte Zevi und wandte sich dann an Lonzano. »Dieser bedauernswerte Jüngling ist wie ein goj vollkommen unwissend in einem christlichen Land aufgezogen worden, und man muss ihm zeigen, dass Juden einander helfen.«
»Was habt Ihr denn in Isfahan vor?« fragte Reb Lonzano. »Ich will studieren, um Arzt zu werden.«
Lonzano nickte. »Die madrassa in Isfahan. Reb Ariehs Vetter, Reb Mirdin Askari, studiert dort
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