Medicus 01 - Der Medicus
werde einen Namen brauchen, dachte er. Es wäre falsch gewesen, sich Mär Reuven zu nennen wie in Tryavna. Um sich erfolgreich zu verwandeln, brauchte er mehr als diese schwache hebräische Version seiner gojischen Identität. Jesse... Das war ein Name, an den er sich von der Bibel her erinnerte.
Ein starker Name, mit dem man leben konnte, der Name von König Davids Vater. Als Familiennamen wählte er Benjamin zu Ehren von Benjamin Merlin, der ihm, wenn auch widerwillig, gezeigt hatte, was ein Medicus sein konnte.
Er würde behaupten, aus Leeds zu stammen, denn er erinnerte sich an die Häuser, die dort den Juden gehörten, und er konnte, wenn es nötig sein sollte, auf Einzelheiten des Ortes eingehen.
Er widerstand dem Impuls, umzukehren und zu fliehen, als ihm drei Priester entgegenkamen und er voll Panik erkennen musste, dass einer von ihnen Vater Tamas war, sein Tischgefährte vom Vorabend. Die drei schlenderten gemächlich dahin und schienen in ein Gespräch vertieft. Er zwang sich, auf sie zuzugehen. »Friede sei mit Euch«, sagte er, als sie sich auf gleicher Höhe mit ihm befanden. Der griechische Priester ließ den Blick verächtlich über den Juden gleiten, dann wandte er sich, ohne zu antworten oder zu grüßen, wieder seinen Gefährten zu.
Als sie an ihm vorbei waren, lächelte Jesse ben Benjamin aus Leeds. Er setzte seinen Weg jetzt ruhig und mit mehr Selbstvertrauen fort und drückte die Handfläche an die rechte Wange, wie es der rabbenu von Tryavna getan hatte, wenn er tief in Gedanken versunken war.
Dritter Teil
Isfahan
Die letzte Etappe
Trotz seines veränderten Aussehens fühlte er sich immer noch wie Rob Jeremy Cole, als er zu Mittag die Karawanserei aufsuchte. Ein großer Troß nach Jerusalem wurde gerade zusammengestellt, und der weite, offene Platz war ein verwirrender Mahlstrom von Treibern, die beladene Kamele und Esel führten, Männer, die ihre Wagen in die Reihe zurückfahren wollten, Reitern, die einander bedenklich nahe kamen, während die Tiere protestierend brüllten und überanstrengte Menschen Tiere und Mitreisende beschimpften. Ein Trupp normannischer Ritter hatte den einzigen Schatten an der Nordseite der Lagerhäuser mit Beschlag belegt. Dort lümmelten sie betrunken auf dem Boden und riefen den Vorübergehenden Schimpfworte zu. Rob wusste nicht, ob sie die Männer waren, die Mistress Buffington getötet hatten, doch es war durchaus möglich, und er ging ihnen angeekelt aus dem Weg. Er setzte sich auf einen Ballen Gebetsteppiche und beobachtete den Leiter der Karawanen. Der kervanbashi war ein stämmiger türkischer Jude, der auf den graumelierten Haaren, die noch Spuren der ursprünglichen roten Farbe aufwiesen, einen schwarzen Turban trug. Meier hatte ihm gesagt, dass dieser Mann, der Zevi hieß, sehr nützlich sei, wenn es darum ging, eine sichere Reise zu planen. Natürlich zitterten alle vor ihm.
»Verdammt nochmal!« brüllte Zevi einen unglückseligen Viehtreiber an. »Verschwinde, du Dummkopf! Führe deine Tiere weg, sie sollten doch den Tieren der Kaufleute vom Schwarzen Meer folgen! Habe ich dir das nicht schon zweimal gesagt? Kannst du dir denn nie deinen Platz in der Marschlinie merken, du Mißgeburt?« Rob hatte den Eindruck, dass Zevi überall zugleich war, Streitigkeiten zwischen Kaufherren und Fuhrleuten schlichtete, mit dem Anführer der Karawane über die Route beriet und die Frachtunterlagen überprüfte. Während Rob zusah, machte sich ein Perser an ihn heran, ein kleiner Mann, der so mager war, dass er hohle Wangen hatte.
Er hatte einen kümmerlichen Bart und trug einen schmutzigen, orangefarbenen Turban, der für seinen Kopf zu klein war.
»Wohin reist Ihr, Hebräer?«
»Ich hoffe, dass ich bald nach Isfahan aufbrechen kann.«
»Ah, Persien! Braucht Ihr einen Führer, Effendi? Denn ich bin in Qum geboren, in der Gegend von Isfahan, und kenne jeden Stein und Busch auf dem Weg.« Rob zögerte.
»Jeder andere wird Euch den langen, schwierigen Weg an der Küste entlang führen und dann durch die persischen Berge, weil sie alle die kürzeste Route durch die Große Salzwüste vermeiden, vor der sie Angst haben. Ich aber kann Euch geradewegs durch die Wüste bis zum Wasser führen und dabei allen Räubern aus weichen.« Rob war in Versuchung, den Mann anzuheuern und sofort aufzubrechen, denn er erinnerte sich daran, wie gut Charbonneau ihm gedient hatte. Aber der Mann hatte etwas Hinterhältiges an sich, und schließlich schüttelte Rob den Kopf.
Der
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