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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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»Im seichten Wasser können sie uns nicht überfallen«, erklärte er.
    Rob blickte in die Richtung, in die Ilias zeigte, und sah weit draußen winzige Wölkchen, die aber die großen Segel eines Schiffes waren. »Die Seeräuber«, erklärte der Grieche. »Sie warten darauf, dass wir aufs Meer hinausgetrieben werden. Dann würden sie uns umbringen und meine Fracht und Euer Geld rauben.«
    Als die Sonne höherstieg, breitete sich allmählich der Gestank von ungewaschenen Körpern aus. Die Meeresbrise hatte ihn zuvor zerstreut, aber nun, da das nicht mehr der Fall war, machte er sich unangenehm bemerkbar. Rob stellte fest, dass er von den Derwischen stammte, und er versuchte, Distanz zu Melek abu Ishak zu halten, aber dafür reichte der Platz nicht aus. Doch brachte die Reise mit Mohammedanern auch Vorteile, denn Ilias brachte die keseboy fünfmal am Tag an den Strand, damit sich die Derwische in der Richtung nach Mekka niederwerfen konnten. Diese Pausen nützten die Juden, schnell etwas zu essen und hinter den Büschen und Dünen Blase und Darm zu entleeren.
    Robs helle englische Haut war auf der Reise längst gebeizt worden, doch nun spürte er, wie Sonne und Salz sie zu Leder gerbten. Wenn es Nacht wurde, war das Fehlen der Sonne ein Segen, aber im Schlaf rutschten die Sitzenden aus ihrer aufrechten Haltung, und Rob wurde zwischen dem schnarchenden Melek zu seiner Rechten und dem selbstvergessenen Lonzano zur Linken eingezwängt. Als er es schließlich nicht mehr ertragen konnte, setzte er seine Ellbogen ein, wofür er wilde Verwünschungen auf beiden Seiten erntete. Die Juden beteten im Boot. Rob legte jeden Morgen die tefillin an, wenn es die anderen taten, und wand den Lederstreifen um seinen linken Arm, wie er es im Stall von Tryavna mit dem Strick geübt hatte. Er schlang den Lederriemen um jeden zweiten Finger, neigte den Kopf und hoffte, dass niemand merken würde, dass er nicht wusste, was er tat.
    Zwischen den Landgängen betete Dedeh seinen Derwischen auf dem Wasser vor: »Gott ist der Größte! Gott ist der Größte! Gott ist der Größte!«
    »Ich bekenne, dass es keinen anderen Gott gibt als Gott! Ich bekenne, dass es keinen anderen Gott gibt als Gott!«
    »Ich bekenne, dass Mohammed der Prophet Gottes ist! Ich bekenne, dass Mohammed der Prophet Gottes ist!«
    Sie seien Derwische von der Bruderschaft Selmans, des Barbiers des Propheten, und hätten gelobt, ein Leben in Armut und Frömmigkeit zu führen, belehrte Melek Rob. Die Lumpen, die sie trügen, stellten den Verzicht auf die Genüsse der Welt dar. Sie zu waschen wäre eine Verleugnung ihres Glaubens, was auch den Gestank erklärte. Das Abrasieren aller Körperhaare symbolisierte die Entfernung des Schleiers zwischen Gott und seinen Dienern. Die an ihrem Gürtel hängenden Schalen seien das Zeichen für den tiefen Brunnen der Meditation, die Schleudern dienten dazu, den Teufel zu vertreiben. Die Verbrennungen auf der Stirn verstärkten die Bußfertigkeit, und sie verschenkten an Fremde Brot, weil der Erzengel Gabriel Adam Brot ins Paradies gebracht habe.
    Die Derwische befanden sich auf einer ziaret, einer Pilgerfahrt zu den heiligen Stätten in Mekka.
    »Warum windet ihr jeden Morgen Lederriemen um den Arm?« fragte ihn Melek.
    »Es ist ein Gebot des Herrn«, antwortete Rob und erzählte Melek, wie das Gebot im 5. Buch Mose erteilt worden war. »Warum bedeckt ihr eure Schultern mit Schals, wenn ihr betet, manchmal aber nicht?«
    Rob wusste zu wenige Antworten; er besaß nur oberflächliche Kenntnisse, die er aus der Beobachtung der Juden in Tryavna gewonnen hatte. Er bemühte sich, seine Verlegenheit angesichts des Verhörs zu verbergen. »Weil der Unaussprechliche, Er sei gesegnet, uns angewiesen hat, Seine Gebote einzuhalten«, sagte er ernst, und Melek nickte lächelnd.
    Als Rob sich von dem Derwisch abwandte, sah er, dass Reb Lonzano ihn aus halbgeschlossenen Augen beobachtete.

Salz
    Die ersten Tage vergingen ruhig, aber dann frischte der Wind auf, was schweren Seegang zur Folge hatte. Ilias lavierte die keseboy geschickt zwischen den gefährlichen Seeräuberschiffen und der donnernden Brandung. Bei Sonnenuntergang tauchten schlanke, dunkle Gestalten im blutroten Wasser auf, die um ihr Boot kreisten, neben ihm herschwammen, hochsprangen und unter ihm durchtauchten. Rob schauderte und bekam richtig Angst, doch Ilias meinte lachend, es seien nur Delphine, harmlose, verspielte Geschöpfe.
    Bei Morgengrauen schwollen die Wellen zu steilen

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