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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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der Schule wird zu viel verlangt. Manches davon will ich mir weder aneignen, noch brauche ich es. Philosophie, Qu'ran ...«
    Der alte Mann unterbrach ihn spöttisch. »Du verfällst in einen verbreiteten Irrtum. Wie kannst du die Philosophie ablehnen, wenn du sie nicht studiert hast? Die Wissenschaft der Medizin befaßt sich mit dem Körper, während die Philosophie sich mit dem Geist und der Seele beschäftigt, und ein Arzt braucht beides wie Nahrung und Luft. Was die Theologie betrifft - ich konnte den Qu'ran im Alter von zehn Jahren auswendig. Es ist mein Glaube und nicht der deine, aber er wird dir nicht schaden, und zehn Qu'rans auswendig zu lernen wäre nur ein geringer Preis, wenn es dir die Kenntnis der Medizin brächte. Du besitzt den Verstand dazu, denn wir sehen, daß du eine neue Sprache erfaßt hast, und wir stellen an einem Dutzend anderer Beispiele fest, daß du zu vielversprechenden Hoffnungen berechtigst. Aber du darfst keine Angst vor dem Lernen haben, es muß ein Teil von dir und selbstverständlich werden wie das Atmen. Du mußt deinen Verstand weit öffnen, um alles aufzunehmen, was wir dir vermitteln können.« Rob hörte schweigend und aufmerksam zu.
    »Dank der uns gemeinsamen Gabe, Jesse ben Benjamin, kann ich einen Mann erkennen, in dem ein Arzt steckt, und in dir spüre ich ein so starkes Bedürfnis zu heilen, daß es schmerzt. Aber das Bedürfnis allein genügt nicht.
    Man wird nicht durch einen calãt zum Medicus, was ein Glück ist, denn es gibt schon zu viele unwissende Ärzte. Deshalb haben wir die Schule, um die Spreu vom Weizen zu sondern. Und wenn wir einen würdigen Studenten bemerken, prüfen wir ihn besonders streng. Wenn unsere Prüfungen zu schwer für dich sind, mußt du uns vergessen, wieder als Baderchirurg umherziehen und deine Quacksalbereien verkaufen...«
    »Arzneien«, verbesserte Rob scharf.
    »Dann also deine angeblichen Arzneien. Den Titel hakim muß man verdienen. Wenn du ihn anstrebst, mußt du dich um des Lernens willen plagen und alle Fähigkeiten einsetzen, um mit den anderen Studenten Schritt zu halten und sie zu übertreffen. Du mußt mit dem Eifer des Begnadeten oder des Verfluchten studieren.« Rob holte Luft. Er blickte Ibn Sina noch immer leidenschaftlich in die Augen und sagte sich, daß er sich nicht durch die halbe Welt gekämpft hatte, um dann zu scheitern.
    Er erhob sich, um sich zu verabschieden, doch da fiel ihm etwas ein.
    »Besitzt Ihr Hunains >Zehn Abhandlungen über das Auge<, Arzt aller Ärzte?«
    Nun lächelte Ibn Sina. »Ja.« Er holte eilig das Buch und übergab es seinem Studenten.

Der Maidan
    Früh an einem Morgen, an dem Rob es eilig hatte, suchten ihn drei Soldaten auf. Er erschrak und machte sich auf alles Mögliche gefaßt, doch diesmal zeigten sie sich äußerst höflich und respektvoll. Ihr Führer, dessen Atem verriet, daß er zum Frühstück grüne Zwiebeln gegessen hatte, verbeugte sich tief.
    »Wir wurden ausgesandt, um Euch zu benachrichtigen, Herr, daß morgen nach dem zweiten Gebet ein Empfang bei Hof stattfindet. Die Träger eines calãt werden dazu erwartet.«
    Somit befand sich Rob am nächsten Morgen wieder unter den vergoldeten Gewölben der Halle der Säulen.
    Diesmal waren keine Menschenmassen anwesend, was Rob bedauerte, denn der Shahansha strahlte in voller Pracht. Alã-al-Dawla trug einen Turban, ein fließendes Gewand, spitze, purpurne Schuhe, eine karmesinrote Hose mit Wickelgamaschen und eine schwere Krone aus getriebenem Gold. Der Großwesir Imam Mirza-abul Quandrasseh saß auf einem niedrigeren Thron neben ihm. Wie gewöhnlich war er in mullah -Schwarz gekleidet.
    Die Empfänger eines calãt standen als Beobachter abseits vom Thron. Rob konnte Ibn Sina nirgends sehen und erkannte niemanden in der Nähe außer Khuff, den Stadthauptmann.
    Der Boden in der Umgebung Alãs war mit Teppichen, in denen Seiden- und Goldfäden glänzten, bedeckt. Zu beiden Seiten der Throne und ihnen zugewandt saß eine Schar prächtig gekleideter Männer. Rob ging zu Khuff und berührte seinen Arm. »Wer sind sie?« flüsterte er.
    Khuff blickte den fremden Hebräer verächtlich an, antwortete aber geduldig, wie es seine Pflicht war: »Das Reich ist in vierzehn Provinzen unterteilt, in denen es fünfhundertvierundvierzig besondere Orte gibt: Städte, ummauerte Ortschaften und Burgen. Dies hier sind die mirzes , chawns , Sultane und beglerbegs , die dort regieren und unter der Herrschaft von Alã-al-Dawla Shahansha stehen.« Der Empfang

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