Medicus 01 - Der Medicus
bloßen Schwert vorbei und begab sich in den Harem. Rob starrte als einziger irritiert dem König nach, als Khuff, der Stadthauptmann, zu dem Eunuchen trat, um mit ihm das dritte Tor zu bewachen. Die fröhlichen Gespräche wurden lauter, in der Nähe lachte General Rotun ben Nasr, der Gastgeber der Belustigung des Schahs und Hausherr, laut über seine eigenen Scherze, als hätte Alã nicht soeben angesichts des halben Hofes seine Frauen aufgesucht. Hat man vom mächtigsten Herrn der Welt nichts anderes zu erwarten? fragte sich Rob.
Eine Stunde später kehrte der Schah huldvoll lächelnd zurück. Khuff verließ das dritte Tor, gab ein unauffälliges Zeichen, und das Festmahl konnte beginnen.
Die schönsten weißen Teller wurden auf Brokatdecken gestellt. Vier verschiedene Brotarten und acht verschiedene pilaws wurden gebracht, letztere in so großen Silberschüsseln, daß eine einzige für alle Gäste gereicht hätte. Der Reis besaß in jeder Schüssel eine andere Farbe und ein anderes Aroma, je nachdem er mit Safran, Zucker, Pfeffer, Zimt, Gewürznelken, Rhabarber, Granatapfelsaft oder Zitronensaft zubereitet worden war. Auf vier riesigen Tranchierbrettern lagen jeweils zwölf Hühner, auf zweien geschmorte Antilopenlenden, auf einem war auf dem Rost gebratenes Schaffleisch angehäuft, und vier weitere hatte man mit ganzen Lämmern beladen, die auf dem Spieß zart, saftig und knusprig gebraten worden waren. Bader, Bader, wie schade, daß du nicht hier sein kannst! dachte Rob. Für jemanden, der von einem solchen Meisterkoch gelernt hatte, schmackhafte Speisen zu würdigen, hatte Rob in den letzten Monaten viel zu oft nur hastig spartanische Mahlzeiten zu sich genommen, um sich dem Studieren widmen zu können. Jetzt seufzte er und kostete alles mit Lust und Liebe.
Als die langen Schatten in Dämmerung übergingen, befestigten die Sklaven große Fackeln auf dem Rückenpanzer lebender Schildkröten und zündeten sie an. Vier übergroße Kessel wurden aus der Küche auf Stangen herangeschleppt. Einer war angefüllt mit Hühnereiern, die zu einer Creme geschlagen worden waren, einer enthielt eine nahrhafte klare Suppe mit Krautern, einer war mit kleingehacktem Fleisch gefüllt, das mit scharfen Gewürzen versehen worden war, und der letzte enthielt dicke Scheiben von gebratenem Fisch, den Rob zwar nicht kannte, dessen Fleisch aber weiß und locker war und so köstlich schmeckte wie Forelle.
Aus der Dämmerung wurde Dunkelheit. Nachtvögel schrien. Sonst hörte man nur leises Gemurmel, Rülpsen sowie das Zerreißen und Kauen von Speisen. Denn sie aßen noch immer. Es gab eine Platte mit Wintersalat, in Lake eingelegtes Wurzelgemüse und eine Schüssel Sommersalat, darunter römischer Lattich und bitteres, scharfes Grünzeug, das er noch nie gekostet hatte. Ein tiefer Suppennapf wurde vor jeden gestellt und mit süß- saurem Scherbett gefüllt. Nun trugen Diener Ziegenschläuche mit Wein und Becher herbei sowie Teller mit Bäckereien, Honignüssen und gesalzene Pistazien.
Rob saß allein und trank den guten Wein. Er sprach nicht, noch wendete sich jemand an ihn, er beobachtete und lauschte mit der gleichen Neugierde, mit der er das Essen gekostet hatte. Sobald die Ziegenschläuche geleert waren, wurden volle gebracht; der Vorrat aus dem Lagerhaus des Schahs war unerschöpflich. Gäste standen auf und entfernten sich, um sich zu erleichtern oder zu erbrechen. Einige waren vom Trinken blöd und schlapp.
Schließlich wurde dem Schah übel. Dann verlor er das Bewußtsein und wurde zu seinem Wagen getragen.
Danach schlich sich Rob davon. Es schien kein Mond, und der Weg vom Besitz Rotun ben Nasrs zurück zur Stadt war schwer zu finden. Aus tiefem, erbittertem Ungehorsam ging Rob auf der für den Schah reservierten Straßenseite und blieb einmal stehen, um langsam und voll Befriedigung auf die ausgestreuten Blumen zu pissen. Mitten in Isfahan hielt Rob an und setzte sich auf die niedrige Mauer. Er betrachtete diese seltsamste aller Städte, in der der Qu'ran alles verbot und die Menschen doch alles begingen. Ein Mann durfte bis zu vier Frauen haben, aber die meisten Männer waren bereit, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, um mit fremden Frauen zu schlafen, während Alã Shahansha offen herumhurte, mit wem immer es ihm gefiel. Der Prophet hatte das Trinken von Wein als Sünde verboten, doch das gesamte Volk verlangte nach Wein, ein großer Teil der Bevölkerung trank übermäßig, und der Schah besaß ein riesiges Lagerhaus
Weitere Kostenlose Bücher