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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Tagelöhner besucht wird. Zweifellos wird sie geduldet, weil sie zu unbedeutend ist, um eine Bedrohung darzustellen.« Sie war zweimal allein dorthin zurückgegangen und hatte die ärmlich gekleideten Armenier beneidet, die die Kirche betraten und sie verließen.
    »Die Messe wird in ihrer Sprache gelesen. Wir können nicht einmal die Antworten geben«, gab Rob zu bedenken.
    »Aber sie zelebrieren das heilige Abendmahl. Christus ist auf ihrem Altar anwesend.«
    »Wir würden mein Leben aufs Spiel setzen, wenn wir sie besuchen. Geh mit Fara zum Gebet in die Synagoge, aber sprich deine eigenen, stummen Gebete. Wenn ich in der Synagoge bin, bete ich zu Jesus und den Heiligen.«
    Sie hob den Kopf, und zum erstenmal sah er den schwelenden Brand in ihren Augen.
    »Ich brauche keine Juden, die mir erlauben zu beten«, trotzte sie hitzig.

    Mirdin stimmte darin mit ihm überein, daß die Chirurgie als Beruf nicht in Frage kam. »Es ist nicht nur das Kastrieren, obgleich es schrecklich ist. Aber an Orten, wo es keine medizinischen Studenten gibt, die bei den mullah -Gerichten Dienst tun, muß der Chirurg die Gefangenen nach der Bestrafung behandeln. Es ist besser, wenn wir unsere Kenntnisse und Fähigkeiten bei der Behandlung von Krankheiten und Verletzungen verwenden, als Stummeln und Stümpfe in Ordnung zu bringen, die gesunde Gliedmaßen und Organe sein könnten.«
    Sie saßen in der frühen Morgensonne auf den Steinstufen der madrassa , und Mirdin seufzte, als ihm Rob von Mary und ihrer Sehnsucht nach dem Trost der Kirche erzählte. »Du mußt eure Gebete mit ihr sprechen, wenn ihr allein seid. Und du mußt sie zu deinem Volk bringen, sobald du dazu in der Lage bist.«
    Rob nickte und betrachtete sein Gegenüber nachdenklich. Mirdin war verbittert und von Haß erfüllt gewesen, als er Rob für einen Juden gehalten hatte, der seinem Glauben untreu war. Aber seit er wußte, daß Rob ein Andersgläubiger war, hatte er sich als wahrer Freund erwiesen.
    »Hast du dir überlegt«, fragte Rob gedehnt, »daß jeder Glaube behauptet, er allein besitze Gottes Herz und Ohr?
    Wir, ihr und die Mohammedaner - alle erklären feierlich, daß sie die einzig wahre Religion haben. Kann es sein, daß wir alle drei unrecht haben?«
    »Vielleicht haben wir alle drei recht?« erwiderte Mirdin.
    Rob empfand aufwallende Zuneigung. Bald würde Mirdin Medicus sein und nach Masqat zu seiner Familie zurückkehren, und wenn er hakim war, würde auch er nach Hause reisen. Zweifellos würden sie einander nie wiedersehen. Als er Mirdin in die Augen sah, war er sicher, daß sein Freund das gleiche dachte.
    »Werden wir einander im Paradies wiedersehen?«
    Mirdin starrte ihn ernst an. »Ich werde dich im Paradies treffen.
    Schwörst du es hoch und heilig?«
    Rob lächelte. »Ich schwöre es hoch und heilig.«
    Sie faßten einander bei den Handgelenken.
    »Ich stelle mir die Trennung zwischen Leben und Paradies als Fluß vor«, sagte Mirdin. »Wenn es viele Brücken über den Fluß gibt, wird es Gott dann stören, welche Brücke der Reisende wählt?«
    »Ich glaube nicht«, stimmte Rob zu.
    Die beiden Freunde verabschiedeten sich herzlich, und jeder eilte an seine Arbeit.
    Rob saß mit zwei Studenten im Operationssaal und hörte al-Juzjani zu, der im Hinblick auf die bevorstehende Operation auf die ärztliche Schweigepflicht aufmerksam machte. Er würde die Identität der Patientin nicht bekanntgeben, um ihren Ruf zu schützen, aber er gab ihnen zu verstehen, daß sie eine nahe Verwandte eines mächtigen, berühmten Mannes war und daß sie Brustkrebs hatte. Wegen der Schwere der Erkrankung würde das theologische Verbot, das jedem außer dem Ehemann einer Frau untersagte, ihren Körper vom Hals bis zum Knie zu betrachten, außer acht gelassen, damit sie operiert werden konnte. per Frau waren Betäubungsmittel und Wein eingeflößt worden, und sie wurde in bewußtlosem Zustand hereingetragen. Sie war füllig und schwer. Unter dem Tuch, das um ihren Kopf gebunden war, sahen graue Haarsträhnen hervor. Sie war leicht verschleiert und vollkommen eingehüllt, mit Ausnahme ihrer Brüste, die groß, weich und schlaff waren, was darauf hinwies, daß die Patientin nicht mehr jung war. Al-Juzjani befahl jedem der Studenten, beide Brüste sanft abzutasten, um zu lernen, wie sich ein Brusttumor anfühlt. Er war sogar ohne Abtasten erkennbar: eine deutlich sichtbare Geschwulst seitlich an der linken Brust, so lang wie Robs Daumen und dreimal so dick. Das Zusehen war

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