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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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viele halten Ärzte für etwas Ähnliches wie Hexer. Angeblich kann der Hexer-Arzt Kranke dazu bringen, Schaum vor dem Mund zu bekommen und steif zu werden wie ein Toter.«
    »Woran erkennt man einen Hexer?« fragte Hunne. »Sie sehen genauso aus wie gewöhnliche Männer«, antwortete Dryfield, »wenn auch manche behaupten, daß sie ihr Glied beschneiden wie Heiden.«
    Robs Hodensack zog sich vor Furcht zusammen. Er verabschiedete sich so bald wie möglich und wußte, daß er nicht wiederkommen durfte, denn es war gefährlich, einen Ort aufzusuchen, an dem man sein Leben verwirken konnte, wenn ein Kollege einem beim Urinieren zusah.
    Am nächsten Morgen erschien Thomas Hood, der rothaarige Schnüffler, mit zwei bewaffneten Gefährten im Haus in der Thames Street. »Was kann ich für Euch tun?« fragte Rob kühl. lood lächelte. »Wir sind alle drei Boten des Bischöflichen Gerichtes.«
    »So?« fragte Rob, kannte aber die Antwort schon. Hood räusperte sich und spuckte auf den sauberen Fußboden. »Wir sind gekommen, um Euch zu verhaften, Robert Jeremy Cole, und Euch vor Gottes Gericht zu stellen«, verkündete er.

Der graue Mönch
    »Wohin bringt Ihr mich?« fragte Rob, als sie schon unterwegs waren. »Die Gerichtsverhandlung wird am Südportal von St. Paul abgehalten.«
    »Wie lautet die Anklage?«
    Hood hob die Schultern und schüttelte den Kopf. Als sie bei der St. Pauls-Kathedrale ankamen, wurde er in einen kleinen, mit Wartenden gefüllten Raum geführt. An der Tür standen Wächter.
    Er dankte Gott, daß Mary und die Söhne nicht bei ihm waren. Er wollte um die Erlaubnis bitten, in der Kapelle zu beten, wußte aber, daß man sie ihm nicht erteilen würde, also betete er stumm, wo er war, und bat Gott, ihn davor zu bewahren, mit einem Hahn, einer Schlange und einem Stein in einen Sack eingenäht und in tiefes Wasser geworfen zu werden.
    Wenn das Gericht sich bereits ein Urteil gebildet hatte, würden Zeugen keine Rolle mehr spielen. Sie würden ihn ausziehen und seine Beschneidung als Beweis ansehen, und sie würden seinen Körper absuchen, bis sie irgendein Hexenmal gefunden hatten. Zweifellos verfügten sie über ebenso viele Methoden, ein Geständnis zu erpressen, wie die mullahs .
    Lieber Gott...
    Er hatte genügend Zeit, um in immer größere Angst zu geraten, denn es war schon früher Nachmittag, als er endlich vor das geistliche Gericht gerufen wurde. Auf dem Eichenthron saß ein blinzelnder ältlicher Bischof, der eine braune, ausgebleichte Alba, eine Stola und ein Meßgewand trug. Rob wußte aus den Gesprächen der anderen, daß dies Aelfsige, der Ordinarius von St. Paul und ein unbarmherziger Richter war. Rechts vorn Bischof saßen zwei Priester milderen Alters in Schwarz, und links von ihm ein junger Benediktiner in strengem Dunkelgrau.
    Ein Büttel brachte die Heilige Schrift, Rob mußte sie küssen und feierlich schwören, daß er die reine Wahrheit sprechen werde. Das Verhör begann sachlich. Aelfsige blickte ihn an. »Wie heißt Ihr?«
    »Robert Jeremy Cole, Exzellenz.«
    »Wohnort und Beschäftigung?«
    »Medicus in der Thames Street.« Der Bischof nickte dem Priester zu seiner Rechten zu. »Habt Ihr am fünfundzwanzigsten Tag des vergangenen Dezember gemeinsam mit einem ausländischen Hebräer Master Edgar Burstan und Master William Smesson, freigeborene Londoner Christen des Pfarrbezirkes St. Olave, ohne Anlaß angegriffen?« Einen Moment lang war Rob verwirrt, dann überkam ihn gewaltige Erleichterung, als er erkannte, daß er nicht der Hexerei angeklagt wurde. Die Seeleute hatten ihn angezeigt, weil er dem Juden zu Hilfe gekommen war. Eine geringfügige Beschuldigung, selbst wenn er deshalb verurteilt werden sollte.
    »Mit einem normannischen Juden namens David ben Aharon«, ergänzte der Bischof heftig blinzelnd. Seine Sehkraft schien sehr geschwächt zu sein.
    »Ich habe den Namen des Juden noch nie gehört, ebensowenig die der Kläger. Aber die Seeleute haben die Unwahrheit ausgesagt. Sie waren es, die über den Juden hergefallen sind. Deshalb habe ich mich eingemischt.«
    »Seid Ihr Christ?«
    »Ich bin getauft.«
    »Ihr besucht regelmäßig den Gottesdienst?«
    »Nein, Exzellenz.«
    Der Bischof schniefte und nickte ernst. »Holt den Zeugen!« befahl er dem grauen Mönch.
    Robs Erleichterung verschwand sofort, als er den Zeugen erblickte. Charles Bostock war kostbar gekleidet und trug eine schwere goldene Halskette und einen großen Siegelring. Während der Aufnahme seiner Personalien

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