Medicus 01 - Der Medicus
neuen Hose drang, die Editha genäht hatte. Dann ließ er die Peitsche fallen und verließ das Haus.
Der Bader kehrte in dieser Nacht spät zurück und fiel betrunken ins Bett.
Als er am Morgen erwachte, waren seine Augen sanft, aber er schob die Lippen vor, als er Robs Beine betrachtete. Er wärmte Wasser und benützte einen Lappen, um sie von dem getrockneten Blut zu säubern, dann holte er einen Topf mit Bärenfett. »Reib es gut ein«, befahl er ihm.
Das Bewusstsein, dass er seine Chance vertan hatte, schmerzte Rob mehr, als es die blutigen Striemen taten.
Der Bader zog seine Landkarten zu Rate. »Ich werde mich am Gründonnerstag auf den Weg machen und dich bis Bristol mitnehmen. Das ist eine blühende Hafenstadt, vielleicht kannst du dort Arbeit finden.«
»Ja, Bader«, flüsterte er.
Der Bader brauchte lange Zeit, um das Frühstück zuzubereiten, und als es fertig war, teilte er großzügig Haferbrei, Käsetoast, Eier und Speck aus. »Iß nur, iss!« murrte er.
Er setzte sich und sah zu, wie Rob das Essen hinunterwürgte. »Tut mir leid«, sagte er. »Ich war selbst ein herumziehender Waisenjunge und weiß, dass das Leben hart sein kann.« Nur noch einmal wendete sich der Bader an diesem Morgen an ihn. »Du kannst die Klamotten behalten«, meinte er.
Die farbigen Bälle wurden weggeräumt, und Rob übte nicht mehr. Aber bis zum Gründonnerstag waren es noch fast vierzehn Tage, und der Bader ließ ihn hart arbeiten und befahl ihm, die Schieferböden in beiden Räumen zu schrubben. Jeden Frühling hatte Ma daheim auch die Wände gestrichen, und das tat er jetzt hier. Es gab zwar weniger Rauch in diesem Gebäude als zu Hause, aber diese Wände schienen zuvor nie gestrichen worden zu sein, und als er mit dieser Arbeit fertig war, sahen sie entschieden freundlicher aus.
Eines Nachmittags schien wie durch ein Wunder wieder die Sonne, das Meer glitzerte blau, und die salzhaltige Luft wurde weich. Zum erstenmal konnte Rob verstehen, warum manche Leute Exmouth zu ihrem Wohnsitz wählten. In den Wäldern hinter dem Haus begannen kleine, grüne Triebe aus der feuchten, laubbedeckten Erde zu sprießen. Er pflückte einen Topf voll Farnschösslinge, und sie kochten das erste Grün mit Speck. Die Fischer hatten sich auf die ruhiger gewordene See hinausgewagt, und der Bader begegnete einem heimkehrenden Boot und kaufte einen schrecklich aussehenden Dorsch und ein halbes Dutzend Fischköpfe. Er ließ Rob gesalzenes Schweinefleisch in Würfel schneiden und briet das fette Fleisch langsam in der Pfanne, bis es knusprig war. Dann kochte er eine Suppe, in die er Fleisch und Fisch, aufgeschnittene Rüben, geschmolzenes Fett, dicke Milch und eine Spur Thymian rührte. Sie genossen das Mahl schweigend mit knusprigem, warmem Brot und wussten beide, dass Rob sehr bald keine solchen Mahlzeiten mehr essen würde.
Ein Teil des aufgehängten Hammelfleisches war schimmlig geworden. Der Bader schnitt den verdorbenen Teil ab und trug ihn in den Wald. Aus dem Äpfelfass stieg stechender Gestank, denn nur mehr wenige Früchte waren nicht angefault. Rob kippte das Fass um und leerte es aus, prüfte jeden Apfel und legte die gesunden Früchte beiseite. Sie fühlten sich in seinen Händen fest und rund an. Er erinnerte sich, wie der Bader ihm das weiche Auffangen beigebracht hatte, indem er ihm Äpfel zum Jonglieren gab, und so schnellte er drei von ihnen in die Höhe: hopp-hopp-hopp.
Er fing sie auf. Dann warf er sie wieder, diesmal sehr hoch, und klatschte in die Hände, bevor er sie auffing. Er hob zwei weitere Äpfel auf und schickte alle fünf hinauf, aber - o Pech! - sie stießen in der Luft zusammen und landeten einigermaßen zermatscht auf dem Fußboden. Er erstarrte, da er nicht wusste, ob sich der Bader in der Nähe befand; er war sicher, wieder Hiebe einzustecken, wenn sein Meister entdeckte, wie er mit dem Essen umging. Aber aus dem anderen Raum kam kein Protest. Er begann, die gesunden Äpfel wieder in das Fass zu legen. Es war gar nicht so schlecht gegangen, sagte er sich, die zeitliche Abstimmung schien besser geworden zu sein.
Er wählte wieder fünf Äpfel von der richtigen Größe aus und warf sie in die Höhe. Diesmal klappte es beinahe, aber seine Nerven hielten nicht durch, und die Früchte fielen knallend auf den Boden, als hätte ein Herbststurm sie vom Baum gebeutelt.
Er hob die Äpfel auf und schnellte sie wieder empor. Er musste ihnen überallhin nachrennen, und es war ein Hinundherlaufen statt flüssiger,
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