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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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dunklen Himmel, dass er selbst sich in diesen gemeinen Bader verwandelte. Ein Schauer überlief ihn, und Trostlosigkeit erfaßte ihn, so dass er näher ans Feuer rückte.

    Am nächsten Morgen stand er beim ersten Tageslicht auf, fand die weggeworfene Flasche und versteckte sie im Wald. Dann schürte er das Feuer, und als der Bader sich zum erstenmal rührte, erwartete ihn bereits ein üppiges Frühstück.
    Sie schirrten die Stute an und fuhren den halben Vormittag hindurch, ohne zu sprechen. Nur manchmal bemerkte Rob die nachdenklichen Blicke, die sein Begleiter auf ihn richtete.
    »Ich habe lange darüber nachgedacht«, unterbrach der Bader endlich das Schweigen. »In der nächsten Saison musst du als Baderchirurg ohne mich losziehen.«
    Rob war betroffen, weil er am Vortag zu der gleichen Schlußfolgerung gelangt war, und widersprach. »Es liegt an dem verdammten Saufen. Das Zeug verändert uns bis zur Unkenntlichkeit. Wir müssen es sein lassen, dann werden wir wieder so gut miteinander auskommen wie zuvor.«
    Der Bader wirkte gerührt, schüttelte aber den Kopf. »Zum Teil ist es das Trinken, aber zum Teil bist du auch ein junger Hirsch, der sein Geweih ausprobieren muss, und ich bin ein alter Platzhirsch. Zudem bin ich für einen Hirsch viel zu fett und kurzatmig; ich brauche meine ganze Kraft, nur um auf das Podium zu steigen, und jeden Tag fällt es mir schwerer, die Vorstellung durchzustehen. Ich würde gern für immer in Exmouth bleiben, den milden Sommer genießen und einen Gemüsegarten anlegen, ganz zu schweigen von den Freuden, die mir meine Kochkunst spenden wird. Während du unterwegs bist, kann ich einen reichlichen Vorrat vom Spezificum anlegen. Ich werde wie bisher die Instandhaltung des Wagens und das Futter für die Stute bezahlen. Du wirst die Einnahmen von allen Patienten, die du behandelst, sowie im ersten Jahr von jeder fünften Flasche Spezificum und in den Jahren danach von jeder vierten Flasche behalten.«
    »Von jeder dritten Flasche im ersten Jahr«, forderte Rob automatisch, »und jeder zweiten danach.«
    »Das ist zuviel Geld für einen neunzehnjährigen jungen Mann«, widersprach er Bader streng. Seine Augen glänzten. »Wir wollen gemeinsam darüber nachdenken, denn wir sind vernünftige Männer.«

    Schließlich einigten sie sich auf die Einkünfte von jeder vierten Flasche im ersten Jahr und jeder dritten in den darauffolgenden Jahren. Der Kontrakt sollte für einen Zeitraum von fünf Jahren gelten, danach würden sie alles neu überdenken.

    Der Bader frohlockte, und Rob konnte sein Glück nicht fassen, denn im Verhältnis zu seinem Alter würde er sehr gut verdienen. Sie fuhren in bester Laune und mit neuem gegenseitigen Wohlwollen durch Northumbrien nach Süden. In Leeds kauften sie nach ihrer Arbeit mehrere Stunden lang ein. Der Bader erwarb ungeheure Mengen und erklärte, er müsse ein Festmahl zubereiten, das der Feier ihres neuen Kontraktes angemessen sei.
    Sie verließen Leeds auf einer Straße, die neben der Aire meilenweit unter alten Bäumen verlief, zwischen denen sich grünes Dickicht, undurchdringliches Gehölz und mit Heidekraut bedeckte Lichtungen erstreckten. Früh schlugen sie ihr Lager zwischen Erlen und Weiden an einer Stelle auf, wo der Fluss breiter wurde, und Rob half dem Bader stundenlang bei der Herstellung einer großen Fleischpastete. Der Bader verarbeitete gehacktes Fleisch von einer Rehkeule und einer halben Kalbslende, einem dicken Kapaun, zwei Tauben, dazu sechs gekochte Eier und ein halbes Pfund Fett. Schließlich überzog er alles mit einer Teigkruste, die dick und blätterig war und vor Öl triefte. Sie aßen sehr lange daran, und der Bader musste Metheglin dazu trinken, weil die Pastete ihn durstig machte. Rob dachte an sein kürzlich abgelegtes Gelübde, trank Wasser und sah zu, wie des Baders Gesicht sich rötete und seine Augen verdrießlich wurden. Dann verlangte der Bader, dass Rob zwei Körbe voller Flaschen aus dem Wagen holte und sie neben ihn stellte, damit er sich nach Lust und Laune bedienen konnte.
    Rob tat ihm den Gefallen und sah beunruhigt zu, wie der Bader zechte. Bald begann dieser ärgerlich über die Bedingungen ihres Kontrakts zu brummen, aber bevor sich eine unangenehme Wendung anbahnte, versank er in den Schlaf der Betrunkenen. Am nächsten Morgen, der hell, sonnig und vom Gesang der Vögel erfüllt war, sah der Bader blaß und mürrisch aus. Er erinnerte sich offenbar nicht mehr an sein anmaßendes Verhalten vom Vorabend.

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