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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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und schließlich vor den Aposteln und allen Heiligen verbeugte.
    Rob dachte weder an Essen noch Trinken. Er blieb knien, und ihm war, als schwebe er zwischen dem tanzenden Kerzenlicht und der lastenden Schwärze.
    Die Zeit verging, ohne dass er es merkte.
    Er schreckte auf, als lautes Glockengeläut die Mitternachtsliturgie ankündigte, erhob sich und wankte auf gefühllos gewordenen Beinen den Gang hinunter.
    »Erweise deine Reverenz!« befahl der Priester kalt, und Rob gehorchte.
    Draußen ging er die Straße hinunter. Unter einem Baum schlug er sein Wasser ab, dann kehrte er zurück und wusch sich Gesicht und Hände in dem Eimer neben der Tür, während in der Kirche der Priester die Mitternachtsmesse beendete.
    Nachdem der Priester zum zweitenmal gegangen war, brannten bald die Kerzen völlig nieder und ließen Rob in der Dunkelheit mit dem Bader allein.
    Das Band zwischen ihnen konnte man nicht Liebe nennen, das wusste Rob. Doch es war ein Gefühl gewesen, das die Liebe hinreichend ersetzte, so dass Rob bitterlich weinte, als das Frühlicht das bleiche Gesicht beschien, und er weinte nicht allein um Henry Croft.
    Der Bader wurde nach dem Morgengottesdienst bestattet. Der Priester hielt sich nicht übertrieben lang am Grab auf. »Ihr könnt es zuschütten«, gestattete er Rob. Während Steine und Kies auf den Sargdeckel polterten, murmelte Rob lateinische Worte über die sichere, gewisse Hoffnung auf Auferstehung.
    Rob behandelte den toten Bader wie ein Familienmitglied. Er gab dem Priester Geld, um einen Stein zu bestellen, und bestimmte auch, was auf diesen eingemeißelt werden sollte.
    HENRY CROFT
BADERCHIRURG
GESTORBEN AM 11.JULI IM JAHR DES HERRN 1031
    »Vielleicht noch requiescat in pace oder etwas Ähnliches?« schlug der Priester vor.
    Die einzige passende Grabinschrift für den Bader, die ihm einfiel, war aber carpe diem, genieße den Tag! Doch irgendwie... Dann lächelte er, weil ihm etwas einfiel.
    Der Priester ärgerte sich, als er hörte, wofür sich Rob entschieden hatte. Aber der junge Fremde bezahlte den Stein und bestand auf dieser Inschrift, also schrieb sie der Pfaffe sorgfältig nieder: Fumum vendidi . &ldash; Ich habe Dunst verkauft.
    »Ich werde demnächst zurückkommen, um nachzusehen, ob alles zu meiner Zufriedenheit erledigt wurde.« pie Augen des Priesters verschleierten sich. »Geht mit Gott«, wünschte er ihm kurz und ging in die Kirche zurück.

    Hundemüde und hungrig lenkte Rob die Stute zu dem Ort, an dem er alle Habseligkeiten im Weidengebüsch versteckt hatte. Nichts war gestohlen worden. Als er die Sachen wieder in den Wagen geladen hatte, setzte er sich ins Gras und aß. Der Rest der Fleischpastete war verdorben, aber er kaute und schluckte ein altes Brot, das der Bader vor vier Tagen gebacken hatte.
    Ihm fiel ein, dass er der Erbe war. Es war nun sein Pferd und sein Wagen. Er hatte alles geerbt: die Instrumente und ihre Handhabung, die schäbigen Felldecken, die Jonglierbälle und die Zauberkunststücke, die Ablenkung, den blauen Dunst - und die Entscheidung darüber, wohin er morgen und übermorgen fahren wollte. Seine erste Maßnahme bestand darin, die Flaschen der Spezialabfüllung gegen einen Felsen zu schleudern, so dass eine nach er anderen zerbrach.
    Die Waffen des Baders wollte er verkaufen; seine eigenen waren besser. Aber das Sachsenhorn hängte er sich um den Hals. Er kletterte auf den Kutschbock und setzte sich selbstbewußt und hochaufgerichtet hin, als wäre es ein Thron.
    Vielleicht, dachte er, sehe ich mich um und nehme einen Lehrjungen auf.

Eine Frau auf der Straße
    Er zog weiter, wie sie es zu zweit immer getan hatten, »um eine Spazierfahrt durch die einfältige Welt zu unternehmen«, wie der Bader gesagt hätte. In den ersten Tagen konnte er sich nicht dazu überwinden, den Wagen abzuladen oder eine Vorstellung zu geben. In Lincoln kaufte er sich eine warme Mahlzeit im Wirtshaus, aber selbst kochte er nicht, sondern er ernährte sich zumeist von Brot und Käse. Er trank überhaupt nicht.
    Abends saß er am Lagerfeuer und wurde von einem schrecklichen Gefühl der Verlassenheit gequält. Er wartete darauf, dass sich etwas ereignete. Aber es geschah nichts, und nach einiger Zeit begriff er, dass er sein Leben nun selbst in die Hand nehmen mußte.
    In Stafford beschloss er, wieder zu arbeiten. Die Stute stellte die Ohren auf und tänzelte, als er die Trommel schlug und die Ankunft auf dem Stadtplatz bekanntmachte.
    Es war, als hätte er immer allein

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