Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
Vom Netzwerk:
»Fangen wir Forellen!« schlug er vor. »Ich hätte Appetit auf ein Frühstück aus frischen Fischen, und die Aire scheint ein fischreiches Gewässer zu sein.« Doch als er aufstand, klagte er über Schmerzen in der linken Schulter. »Ich werde den Wagen beladen«, beschloss er, »denn Arbeit schmiert oft ein schmerzendes Gelenk.«
    Er trug einen der Körbe mit Metheglin in den Wagen, dann kam er zurück und holte den nächsten. Auf halbem Weg zum Wagen ließ er den Korb polternd und klirrend fallen. Sein Gesicht nahm einen verwunderten Ausdruck an. Er legte die Hand auf die Brust und verzog die Miene. Dann krümmte er sich vor Schmerz zusammen.
    »Robert«, sagte er formell. Es war das erste Mal, dass er den Taufnamen seines Gehilfen aussprach.
    Er machte einen Schritt auf Rob zu und streckte beide Hände aus. Aber bevor Rob ihn erreichen konnte, hörte er auf zu atmen. Wie ein großer Baum — nein, wie eine Lawine, wie ein Bergsturz kippte der Bader um und stürzte zu Boden.

Requiescat
    »Ich habe ihn nicht gekannt.«
    »Er war mein Freund.«
    »Ich habe auch Euch noch nie gesehen.« Der Priester war eigensinnig.
    »Ihr seht mich jetzt.« Rob hatte ihre Habseligkeiten aus dem Wagen geladen und sie hinter einem Weidendickicht versteckt, um Platz für des Baders Leiche zu schaffen. Er war sechs Stunden weit gefahren, um das kleine Dorf Aire's Cross mit seiner alten Kirche zu erreichen. Jetzt stellte dieser Pfaffe mit den stechenden Augen argwöhnische Fragen, als wäre der Bader vorsätzlich gestorben, nur um ihm Ungelegenheiten zu bereiten.
    Als weitere Fragen ergaben, was der Bader zu Lebzeiten gewesen war, schnaubte der Priester mißbilligend.
    »Medicus, Chirurg oder Bader - sie alle mißachten die unbestreitbare Wahrheit, dass nur die heilige Dreifaltigkeit und die Heiligen wirklich die Macht besitzen zu heilen.«
    Rob war gefühlsmäßig zu sehr beteiligt und nicht bereit, sich solche Töne gefallen zu lassen. Genug, knurrte er stumm. Er dachte an die Waffen an seinem Gürtel, aber es war, als riete ihm der Bader, sich zu beherrschen. Er sprach gedämpft und freundlich mit dem Priester und bot ihm eine ansehnliche Spende für die Kirche an.
    Schließlich erklärte der Priester geringschätzig: »Erzbischof Wulfstan hat den Priestern untersagt, einem anderen Priester sein Pfarrkind mit seinen Zehnten und Abgaben abspenstig zu machen.«
    »Er war nicht das Pfarrkind eines anderen Priesters«, stellte Rob richtig, und schließlich wurde eine Bestattung in geweihter Erde vereinbart.
    Zum Glück hatte er eine volle Börse mitgenommen. Die Bestattung konnte nicht länger verschoben werden, denn der Leichengeruch war schon deutlich wahrnehmbar. Der Dorftischler erschrak, als er sah, wie groß der Sarg sein musste, den er zu schreinern hatte. Auch die Grube musste dementsprechend größer sein, und Rob hob sie selbst in einer Ecke des Friedhofs aus.
    Des Baders mit Rosmarin bestreuter Sarg wurde vor dem Altar zu Füßen des riesigen Kreuzes aufgestellt.
    Zufällig war an diesem Tag das Fest des heiligen Calixtus, und die Kirche zum Heiligen Kreuz war gut besucht.
    Als das >Kyrie Eleison< gesungen wurde, war die kleine Kirche beinahe voll.
    Sie hatte nur zwei kleine Fenster, und der Weihrauch kämpfte gegen den Leichengeruch an. Aber durch die Wände aus gespaltenen Baumstämmen und das Strohdach strömte etwas frische Luft, so dass die Binsenlichter in ihren Haltern flackerten. Sechs hohe Wachskerzen, die im Kreis um den Sarg aufgestellt waren, erhellten das Dunkel. Ein weißes Leichentuch bedeckte den Bader bis auf sein Gesicht. Rob hatte ihm die Augen zugedrückt, und er sah nun aus, als schlafe er oder als sei er vielleicht sehr betrunken.
    »War er Euer Vater?« flüsterte eine alte Frau. Rob zögerte, dann erschien es ihm als das Einfachste zu nicken.
    Sie seufzte und berührte mitfühlend seinen Arm.
    Er hatte für eine Totenmesse bezahlt, an der die Leute nun mit rührender Feierlichkeit teilnahmen, und er sah zu seiner Zufriedenheit, dass der Bader kein schöneres Begräbnis bekommen hätte, wenn er einer Zunft angehört hätte, und dass nicht andächtiger für seine Seele gebetet worden wäre, wenn sein Sarg mit königlichem Purpur bedeckt gewesen wäre.
    Als die Messe zu Ende war und die Leute sich entfernten, ging Rob zum Altar. Er kniete viermal nieder und schlug das Kreuz über seiner Brust, wie es ihn seine Mutter vor so langer Zeit gelehrt hatte, als er sich vor Gott, seinem Sohn, unserer Mutter Maria

Weitere Kostenlose Bücher