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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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herausnehmen.«
    »Den Leib der Mutter öffnen?«
    »Ja.«
    »Das habt Ihr getan?«
    »Mehrmals. Als ich zum Arzt ausgebildet wurde, sah ich einen meiner Lehrer den Bauch einer lebenden Frau öffnen, um ihr Kind herauszuholen.«
    Lügner! dachte Rob und schämte sich, weil er so aufmerksam zugehört hatte. Ihm fiel ein, was der Bader über diesen Mann und seinesgleichen gesagt hatte. »Und was geschah?«
    »Sie starb, aber sie hätte auf keinen Fall überlebt. Ich bin dagegen, lebende Frauen aufzuschneiden, aber ich habe von Männern gehört, die es getan haben, und Mutter und Kind haben überlebt.« Rob wandte sich ab, bevor dieser mit französischem Akzent sprechende Mann ihn auslachen konnte, weil er so gutgläubig war. Doch er hatte keine zwei Schritte getan, als er kehrtmachte. »Wo schneidet man?«
    Der Jude zeichnete einen Körperrumpf in den Straßenstaub und markierte zwei Schnitte, einen langen, geraden auf der linken Körperhälfte und einen quer auf der Leibesmitte. »So und so«, antwortete er und warf den Stock weg. Rob nickte und ging fort; er war unfähig, ihm zu danken.

Käppchen bei Tisch
    Er verließ Tettenhall sofort, aber irgend etwas passierte mit ihm. Sein Vorrat an Universal-Spezificum ging zur Neige, und am nächsten Tag kaufte er bei einem Bauern ein Fässchen Metheglin und unterbrach seine Fahrt, um einen neuen Vorrat an Flaschen zu mischen, die er noch am selben Nachmittag in Ludlow zu verkaufen begann.
    Das Spezificum verkaufte sich so gut wie immer, abererwarm Gedanken versunken und hatte ein wenig Angst.
    Ein menschliches Leben in der hohlen Hand zu halten wie einen Kieselstein. Zu fühlen, wie es entglitt, es aber dank eigener Kenntnis zurückzubringen! Nicht einmal ein König besaß solche Macht. Auserwählt! Konnte er mehr lernen? Wieviel konnte man überhaupt lernen? Wie muss es sein, fragte er sich, wenn man sich das gesamte Wissen aneignet, das gelehrt werden konnte? Zum erstenmal empfand er den Wunsch, Arzt zu werden.
    Wirklich fähig zu sein, dem Tod entgegenzutreten. In ihm gärten neue, beunruhigende Gedanken, die ihn manchmal in Begeisterung versetzten und dann wieder Seelenängste auslösten. Am nächsten Morgen machte er sich auf den Weg nach Worcester, der nächsten Stadt im Süden entlang dem Severn. Er erinnerte sich später nicht an den Fluss oder die Straße, er wusste auch nicht, dass er die Stute gelenkt hatte. Als er in Worcester ankam, staunten die Städter über den roten Wagen. Er fuhr auf den Hauptplatz, umkreiste ihn einmal, ohne anzuhalten, und fuhr dann zur Stadt hinaus und zurück in die Richtung, aus der er gekommen war.

    Das Dorf Lucteburne in Leicestershire war zu klein für ein eigenes Wirtshaus, aber als er bei einer Wiese anhielt, auf der vier Männer mit Sensen mähten, unterbrach der Schnitter in dem Streifen neben der Straße seine regelmäßigen Schwünge und erklärte ihm, wie er zu Edgar Thorpes Haus gelangen konnte.
    Rob traf den alten Mann in seinem kleinen Garten an, wo er auf Händen und Knien Lauch erntete. Er erkannte sofort mit einem seltsam erregenden Gefühl, dass Thorpe sehen konnte. Aber er litt an schwerem Rheuma, und obwohl Rob ihm half, sich unter Stöhnen und Schmerzenslauten zu erheben, dauerte es doch einige Zeit, bis sie in Ruhe miteinander sprechen konnten.
    Rob brachte mehrere Flaschen Spezificum vom Wagen und öffnete eine, was seinem Gastgeber sehr gefiel.
    »Ich bin gekommen, um Euch über die Operation zu befragen, die Euch das Augenlicht wiedergegeben hat, Master Thorpe.«
    »Wirklich? Und wieso interessiert Euch das?«
    Rob zögerte. »Ich habe einen Verwandten, der den gleichen Eingriff braucht, und ich erkundige mich für ihn.«
    Thorpe nahm einen Schluck Spezificum und seufzte. »Ich hoffe, dass er ein starker und sehr mutiger Mann ist«, schickte er voraus. »Ich wurde an Händen und Füßen auf einen Stuhl gefesselt. Straffe Riemen schnitten mir in den Kopf und hielten ihn an der hohen Rückenlehne fest. Man hatte mir viel zu trinken gegeben, und ich war halb bewußtlos, doch dann wurden kleine Haken an der Innenseite meiner Augenlider befestigt und hochgezogen, so dass ich nicht blinzeln konnte.« Er schloss schaudernd die Augen. Er musste die Operation offensichtlich schon oft schildern, denn er hatte sich die Einzelheiten fest eingeprägt und erzählte sie fließend, aber Rob fand sie deshalb nicht weniger faszinierend.
    »Mein Leiden war solcher Art, dass ich nur verschwommen sehen konnte, was sich unmittelbar

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