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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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hielt sich im Hintergrund und beobachtete ihn aufmerksam. Als sie fortgingen, dankte der alte Mann Rob, weil er die Gänse gefüttert hatte.
    Der Tag war offenbar der Pflege der Todkranken gewidmet, denn Merlin führte ihn zwei Meilen weiter zu einem Haus neben dem Hauptplatz, in dem die Frau des Vogtes unter großen Schmerzen dahinsiechte.
    »Wie geht es Euch, Mary Sweyn?«
    Sie antwortete nicht, sondern blickte ihn ruhig an. Das war Antwort genug, und Merlin nickte. Er setzte sich, ergriff ihre Hand und sprach leise auf sie ein. Wie er es schon bei dem alten Mann getan hatte, widmete er auch ihr sehr viel Zeit.
    »Ihr könnt mir helfen, Mistress Sweyn umzudrehen«, forderte er Rob auf. »Vorsichtig. Vorsichtig jetzt.« Als Merlin ihr Nachthemd hochschob, um ihren skelettartigen Körper zu waschen, bemerkten sie an ihrer ausgemergelten linken Seite ein eiterndes Geschwür. Der Arzt öffnete es sofort mit einer Lanzette, um ihr Erleichterung zu verschaffen, und Rob sah zu seiner Befriedigung, dass er dabei genauso vorging, wie er es selbst getan hätte. Als sie gingen, ließ Merlin eine Flasche mit einem schmerzstillenden Absud zurück.
    »Ich habe noch einen Besuch abzustatten«, sagte Merlin, als sie Mary Jweyns Haus verließen. »Der Kranke heißt Tancred Osbern, und sein Sohn hat mir heute morgen die Nachricht überbracht, dass er sich verletzt hat.«
    Merlin band sein Pferd mit den Zügeln am Wagen fest und setzte sich neben Rob auf den Kutschbock, um ihm Gesellschaft zu leisten. »Wie geht es den Augen Eures Verwandten?« erkundigte sich der Arzt freundlich.
    Ich hätte mir denken können, dass Edgar Thorpe meine Erkundigungen erwähnen wird, überlegte Rob, der spürte, wie ihm das Blut in die Wangen stieg. »Ich wollte Thorpe nicht hinters Licht führen. Ich wollte mich nur selbst von dem Ergebnis Eurer Operation überzeugen«, sagte er. »Und ich hielt dies für die einfachste Erklärung.« Merlin nickte lächelnd. Während sie weiterfuhren, erklärte er Rob den chirurgischen Eingriff, den er vorgenommen hatte, um Thorpes grauen Star zu stechen. »Ich würde niemandem raten, diese Operation auf eigene Faust durchzuführen«, sagte er scharf, und Rob nickte, denn er hatte bestimmt nicht die Absicht, die Augen eines Menschen zu operieren.
    Wenn sie an eine Kreuzung kamen, gab Merlin den Weg an, bis sie endlich bei einem wohlbestallten Bauernhof anlangten. Er bot ein Bild der Ordnung, das nur durch ständige Pflege erreicht wird. Im Haus fanden sie den kräftigen, muskulösen Bauern vor, der auf einem Strohsack, der ihm als Bett diente, lag und stöhnte. »Ach, Tancred, was ist Euch diesmal geschehen?« fragte Merlin. »Hab' mir das verdammte Bein verletzt.«
    Merlin schlug die Decke zurück und zog die Stirn in Falten, denn das rechte Bein war am Oberschenkel verdreht und geschwollen. »Ihr müßt schreckliche Schmerzen leiden. Dennoch habt Ihr dem Jungen aufgetragen zu sagen, ich solle kommen, >wann immer ich Zeit finde<. Das nächste Mal dürft Ihr nicht so blödsinnig tapfer sein, damit ich sofort komme.«
    Der Mann schloss die Augen und nickte. »Wie ist es geschehen und wann?«
    »Gestern mittag. Ich stürzte von dem verdammten Dach, während ich das Schilf ausbesserte.«
    »Ihr werdet jetzt eine Zeitlang das Schilf nicht ausbessern können.«
    Merlin blickte Rob an. »Ich werde Hilfe brauchen. Sucht eine Schiene, die etwas länger ist als sein Bein.«
    »Er soll dabei keine Häuser oder Zäune einreißen«, knurrte Osbern. Rob machte sich auf die Suche. In der Scheune lagen ein Dutzend Buchen- und Eichenstämme sowie ein Stück Kiefer, das zu einer Latte geschnitten worden war. Sie war zu breit, aber das Holz war weich, und Rob brauchte nicht lange, um es mit dem Werkzeug des Bauern der Länge nach zu spalten.
    Osbern blickte finster, als er die Schiene erkannte, sagte aber nichts. Merlin seufzte. »Er hat Schenkel wie ein Bulle. Uns steht Arbeit bevor, Cole.« Er ergriff das verletzte Bein am Knöchel und an der Wade und versuchte einen gleichmäßigen Druck auszuüben, während er gleichzeitig das verdrehte Glied wendete und gerade bog. Es knackte leise, als würden getrocknete Blätter zerdrückt, und Osbern stieß ein lautes Gebrüll aus.
    »Es hat keinen Sinn«, stellte Merlin fest. »Seine Muskeln sind gewaltig. Sie haben sich verkrampft, um das Bein zu schützen, und ich besitze nicht genug Kraft, um ihrer Herr zu werden und den Bruch einzurichten.«
    »Laßt mich es versuchen!« bat Rob.
    Merlin

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