Medicus 01 - Der Medicus
betäubten. Bis jetzt war er immer betrunken und halb wahnsinnig vor Wut gewesen, wenn er gekämpft hatte. Jetzt war er nüchtern, und er konzentrierte sich auf einen kalten, klaren Gedanken: Töte ihn! Wütend packte er mit seiner freien Hand das linke Handgelenk des Mannes, zog es zurück und versuchte, ihn zu erwürgen oder seine Luftröhre einzudrücken.
Dann packte er die Stirn des anderen und versuchte, den Kopf so weit zurückzureißen, dass der Halswirbel brach.
Brich! flehte er.
Aber es war ein kurzer, dicker Hals, gut mit Fett gepolstert und mit Muskeln bepackt.
Eine Hand mit langen schwarzen Fingernägeln zwängte sich zu seinem Gesicht hinauf. Er bog den Kopf weg, aber die Hand kratzte über seine Wange, die zu bluten begann.
Die Hand kam wieder. Diesmal konnte der Mann etwas höher reichen, suchte die Augen. Seine scharfen Nägel stachen, und Rob schrie. Dann stand plötzlich Charbonneau über ihnen. Er setzte die Spitze seines Schwertes überlegt an, fand die Stelle zwischen den Rippen und stieß das Schwert tief hinein.
Der Glatzkopf seufzte, als wäre er zufrieden. Er hörte auf zu knurren und sich zu bewegen und blieb schwer liegen. Rob roch ihn zum erstenmal. Einen Augenblick später konnte er sich von dem Körper wegwälzen. Er setzte sich auf und strich sich über das verletzte Gesicht.
Der Junge hing über dem Rumpf des Maultiers, seine schmutzigen nackten Füße hatten sich grausam verfangen.
Charbonneau holte sich sein Messer zurück und wischte es ab. Er zog die toten Füße aus den Steigbügeln und ließ die Leiche auf den Boden fallen. »Wo ist der dritte Schweinehund?« keuchte Rob. Er konnte nicht verhindern, dass seine Stimme zitterte.
Charbonneau spuckte aus. »Er ist beim ersten Anzeichen, dass wir uns nicht höflich umbringen lassen, abgehauen.«
»Vielleicht zum Gerechten um Verstärkung?«
Charbonneau schüttelte den Kopf. »Das sind dreckige Halsabschneider, nicht die Männer des Landgrafen.« Er durchsuchte die Leichen so geübt, als wäre es nicht das erste Mal. Um den Hals des Mannes hing ein kleiner Beutel mit Münzen. Der Junge trug kein Geld bei sich, aber ein fleckiges Kruzifix. Ihre Waffen waren armselig, aber Charbonneau warf sie in den Wagen.
Sie ließen die Straßenräuber im Schmutz liegen, den Kahlkopf mit dem Gesicht nach unten in seinem eigenen Blut.
Charbonneau band das Maultier hinten an den Wagen und führte das knochige erbeutete Pferd am Zügel, während sie auf die Römerstraße zurückkehrten.
Fremde Straßen
Als Rob Charbonneau fragte, wo er das Messerwerfen gelernt habe, erzählte der alte Franzose, dass es ihm die Seeräuber in seiner Jugend beigebracht hatten. »Es war eine nützliche Sache, wenn man mit den verdammten Dänen kämpfte und sich ihrer Schiffe bemächtigte.« Er zögerte. »Und wenn man mit den verdammten Engländern kämpfte und sich ihrer Schiffe bemächtigte«, fügte er verschmitzt hinzu. Inzwischen störten sie die alten nationalen Rivalitäten nicht mehr, und jeder kannte den Wert seines Gefährten. Sie grinsten einander an.
»Zeigst du es mir?«
»Wenn du mir das Jonglieren beibringst«, erwiderte Charbonneau, und Rob stimmte begeistert zu. Das Abkommen war einseitig, denn Charbonneau war zu alt, um eine neue, schwierige Fertigkeit zu meistern, und in der kurzen Zeit, die sie noch beisammenblieben, lernte er nur, zwei Bälle hochzuschnellen. Aber das Werfen und Fangen machte ihm viel Freude.
»Man braucht ein besonderes Messer. Bei einem Wurfmesser ist die Klinge beschwert, so dass eine rasche Bewegung des Handgelenks es mühelos mit der Spitze voran auf den Weg schickt.« Rob lernte schnell, wie er Charbonneaus Messer werfen musste, damit es mit der scharfen Klinge voran flog. Es war schwieriger, dorthin zu treffen, wohin er wollte, aber er war an die Disziplin des Übens gewöhnt und warf das Messer nach einer Kerbe an einem dicken Baum, wann immer er eine Möglichkeit dazu hatte.
Sie blieben auf den Römerstraßen, auf denen ein vielsprachiges Gemisch von Menschen unterwegs war. Pilger bewegten sich allein, in kleinen oder großen Gruppen in die ungefähre Richtung, in der Jerusalem lag; manchmal wurden sie von Palmenträgern geführt oder unterwiesen, christlichen Jüngern, die zwei gekreuzte, im Heiligen Land gepflückte Palmzweige trugen und dadurch anzeigten, dass sie die heilige Reise bereits unternommen hatten. Gruppen von gepanzerten Rittern galoppierten mit Kampfgeschrei vorbei, sie waren oft betrunken,
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