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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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beschlossen, den Leuten diese Geschichte aufzutischen, um Diskussionen darüber zu vermeiden, dass in den Augen der Kirche der wirkliche Grund für die Reise nach Isfahan als ein Verbrechen galt. Charbonneau zog die Brauen hoch. »Ein weiter Weg.« Rob nickte. »Ich brauche einen Führer, jemanden, der auch übersetzen kann, so dass ich Vorstellungen geben, Arznei verkaufen und die Kranken behandeln kann, während wir reisen. Ich werde einen guten Lohn zahlen.«
    Charbonneau nahm eine Olive vom Teller und legte sie auf den sonnenwarmen Tisch. »Frankreich«, sagte er. Er nahm noch eine. »Die von den sächsischen Kaisern beherrschten Herzogtümer Deutschlands.« Dann noch eine und wieder eine, bis es sieben Oliven in einer Reihe waren. »Böhmen«, sagte er, auf die dritte Olive zeigend, »wo die Slawen und die Tschechen leben. Als nächstes kommt das Gebiet der Magyaren, ein christliches Land, aber voller wilder, barbarischer Reiter. Dann der Balkan, ein Land mit hohen, wilden Bergen und großen, wilden Menschen. Dann Thrazien, von dem ich wenig weiß, außer dass es die äußerste Grenze von Europa ist und dort Konstantinopel liegt. Und schließlich Persien, dein Ziel.« Er betrachtete Rob nachdenklich. »Meine Geburtsstadt liegt an der Grenze zwischen Frankreich und dem Land der Deutschen, deren Sprache ich seit meiner Kindheit spreche.
    Wenn du mich anheuern willst, werde ich dich begleiten, bis hierher.« Er ergriff die beiden ersten Oliven und steckte sie in den Mund. »Ich muss dich aber rechtzeitig verlassen, um vor dem nächsten Winter in Straßburg zu sein.«
    »Abgemacht«, stimmte Rob erleichtert zu.
    Dann bestellte Charbonneau grinsend noch einen Apfelschnaps, während Rob mit ernsthafter Miene die anderen Oliven der Reihe nach verzehrte und sich so durch die restlichen fünf Länder durchaß.

Fremder in einem fremden Land
    Frankreich leuchtete nicht so grün wie England, aber hier gab es mehr Sonnenschein. Der Himmel wirkte höher.
    Frankreichs Farbe war Tiefblau. Ein großer Teil des Landes war von Wäldern bedeckt wie daheim. Es war ein Land mit peinlich ordentlichen Bauernhöfen, über denen sich gelegentlich eine dunkle Burg aus Stein erhob, wie sie Rob aus den ländlichen Gegenden Englands kannte. Manche Adelige lebten aber in großen Herrenhäusern aus Holz, die es in England nicht gab. Auf den Weiden gab es viel Vieh, und die Bauern säten Weizen. Rob wunderte sich. »Viele Gebäude auf euren Bauernhöfen haben gar kein Dach«, bemerkte er.
    »Es gibt hier weniger Regen als in England«, erklärte ihm Charbonneau. »Einige Bauern dreschen das Getreide in offenen Scheunen.« Charbonneau ritt ein großes, friedliches Pferd, das hellgrau, fast weiß war. Seine Waffen waren abgenutzt, aber gut instand gehalten. Jeden Abend versorgte er das Pferd sorgfältig, dann säuberte und polierte er das Schwert und den Dolch. Er war am Lagerfeuer und auf der Straße ein guter Gesellschafter.
    Alle Bauernhöfe waren von Obstgärten umgeben, die in voller Blüte standen. Rob hielt bei einigen an, um Alkohol zu kaufen. Er fand zwar kein Metheglin, kaufte statt dessen aber ein Fässchen Apfelschnaps, ungefähr das Getränk, das ihm in Calais so geschmeckt hatte, und er stellte fest, dass es ein noch besseres Universal-Spezifikum ergab.
    Wie überall waren auch hier die besten Straßen seinerzeit von den Römern für die marschierenden Heere angelegt worden: breite Landstraßen, die miteinander verbunden und so gerade waren wie Speerschäfte.
    Charbonneau meinte liebevoll: »Sie sind überall, ein Netz, das die Welt bedeckt. Wenn du wolltest, könntest du auf diesen Straßen bis nach Rom fahren.«
    Dennoch lenkte Rob die Stute bei einem Wegweiser, der zu einem Dorf namens Caudry zeigte, von der römischen Straße weg. Charbonneau war dagegen. »Diese Waldwege sind gefährlich.«
    »Ich muss sie benützen, wenn ich meinem Geschäft nachgehen will. Sie stellen den einzigen Zugang zu den kleineren Dörfern dar. Ich blase mein Hörn, das habe ich immer getan.« Charbonneau zuckte mit den Achseln.
    Die Häuser von Caudry hatten kegelförmige Dächer aus Reisig oder Stroh. Die Frauen kochten im Freien, und neben den meisten Häusern standen in der Nähe des Feuers ein Holztisch und Bänke unter einem einfachen Sonnendach, das auf vier kräftigen, aus jungen Bäumen geschnittenen Pfosten ruhte. Man konnte Caudry nicht mit einem englischen Dorf vergleichen, aber Rob drehte bei seiner Vorstellung auf, als wäre er

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