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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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für gewöhnlich angriffslustig und immer auf Ruhm, Beute und Schurkereien aus. Manche der religiösen Eiferer trugen härene Hemden und krochen auf blutigen Händen und Knien nach Palästina, um Gelübde zu erfüllen, die sie vor Gott oder einem Heiligen abgelegt hatten. Sie waren erschöpft und wehrlos und daher eine leichte Beute. Auf den Straßen wimmelte es von Verbrechern, und die Durchsetzung der Gesetze seitens von Amtspersonen erfolgte bestenfalls flüchtig. Wurde ein Dieb oder Straßenräuber auf frischer Tat ertappt, richteten ihn die Reisenden ohne Gerichtsverfahren auf der Stelle hin. Rob trug seine Waffen locker und einsatzbereit, denn er erwartete immer noch, dass sich der Mann mit dem fehlenden Ohr mit einer Bande von Reitern auf sie stürzen würde, um die Toten zu rächen. Erheitert erkannte Rob, dass der gebrechlich aussehende alte Mann, den er nur angestellt hatte, weil er Englisch konnte, sein bester Schutz war.
    Sie kauften Vorräte in Augsburg, einem geschäftigen Handelszentrum, das von dem römischen Kaiser Claudius um 45 nach Christus als Freistadt gegründet worden war. Der Ort hatte sich zum Zentrum für Geschäftsabschlüsse zwischen Deutschland und Italien entwickelt, war mit Menschen vollgestopft, die alle der Hauptbeschäftigung, dem Handel, nachgingen. Bereits seit einiger Zeit hatte Rob immer mehr Juden gesehen, aber auf den Märkten von Augsburg waren sie zahlreicher vertreten denn je; man erkannte sie sofort an ihren schwarzen Kaftanen und den glockenförmigen Lederhüten mit schmalen Krempen.
    Rob veranstaltete in Augsburg eine Vorführung, verkaufte aber nicht so viel Spezificum wie vorher, vielleicht weil Charbonneau nicht so eifrig übersetzte, weil er sich im Dialekt der Einheimischen ausdrücken mußte. Doch spielte das keine besondere Rolle, denn Robs Börse war fett. Jedenfalls eröffnete ihm Charbonneau zehn Tage später, als sie Salzburg erreichten, dass sie in dieser Stadt ihre letzte gemeinsame Vorstellung geben würden.
    »In drei Tagen kommen wir an die Donau, dort verlasse ich dich und kehre nach Straßburg zurück.« Rob nickte.
    »Du kannst mich nicht mehr brauchen. Jenseits der Donau liegt Böhmen, wo die Leute eine mir fremde Sprache sprechen.«
    »Du kannst trotzdem gern mitkommen, ob du übersetzt oder nicht.« Doch Charbonneau schüttelte lächelnd den Kopf. »Für mich ist es an der Zeit heimzukehren, und diesmal für immer.« Am Abend bestellten sie in einem Gasthaus ein Abschiedsessen, das aus den Speisen des Landes bestand: geräuchertem Schweinefleisch, saurem Kraut und Mehlbrühe. Es schmeckte ihnen nicht, und sie betranken sich ein wenig mit schwerem Rotwein. Rob bezahlte den alten Mann großzügig.
    Charbonneau gab ihm einen letzten, ernüchternden Rat. »Vor dir liegt ein gefährliches Land. Angeblich kann man in Böhmen die wilden Banditen und Söldner der einheimischen Adeligen nicht voneinander unterscheiden.
    Um ein solches Land unversehrt zu durchqueren, darfst du nur in Gesellschaft von anderen reisen.«
    Rob versprach, dass er darauf achten würde, sich einer wehrhaften Gruppe anzuschließen.
    Die Donau war hier ein mächtigerer Strom, als er erwartet hatte, der tiefes, gefährliches Wasser führte.
    Charbonneau blieb einen Tag länger als versprochen und bestand darauf, mit Rob stromabwärts zu der aus dem römischen Kastell Lentia hervorgegangenen Marktstelle Linz zu fahren, wo ein großes Floß aus Baumstämmen Passagiere und Fracht über eine ruhige Stelle des breiten Wasserlaufes beförderte.
    »Also«, sagte der Franzose.
    »Vielleicht werden wir uns eines Tages wiedersehen.«
    »Das glaube ich nicht.«
    Sie umarmten einander.
    »Mögest du ewig leben, Robert Jeremy Cole.«
    »Mögest du ewig leben, Louis Charbonneau.«
    Rob stieg vom Wagen, um die Überfahrt auszuhandeln, und der alte Mann ritt davon und führte das knochige braune Pferd mit. Die Frage des Fährgeldes war schwierig, denn Rob verstand nicht Böhmisch und hatte schließlich das Gefühl, dass man ihn übervorteilt hatte.

    Die Stute zog ihn über die Berge in eine große, schüsseiförmige, von grünen Hügeln umgebene Hochebene. Auf den Feldern plagten sich Männer und Frauen mit Weizen, Gerste, Roggen und Rüben ab, aber der Mischwald herrschte hier vor. Nachts hörte Rob, nicht weit entfernt, das Geheul von Wölfen. Er ließ das Feuer nicht ausgehen, obwohl es im Freien warm war, und Mistress Buffington miaute über die Laute der wilden Tiere und drückte sich im Schlaf

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