Medicus 01 - Der Medicus
mit gesträubtem Fell dicht an ihn. Er war in vieler Hinsicht auf Charbonneau angewiesen gewesen, stellte nun jedoch fest, dass wohl dessen Gesellschaft das wichtigste gewesen war. Jetzt fuhr er die Römerstraße entlang und erkannte die Bedeutung des Wortes >allein<, denn er konnte mit den Leuten, denen er begegnete, nicht sprechen.
Eine Woche nach seiner Trennung von Charbonneau stieß er eines Morgens auf die nackte verstümmelte Leiche eines Mannes, die an einem Baum neben der Straße hing. Der Gehängte war schmächtig, hatte ein bösartiges Gesicht, und sein linkes Ohr fehlte. Es tat Rob leid, dass er Charbonneau nicht mitteilen konnte, dass andere den dritten Straßenräuber erwischt hatten.
Die Karawane
Rob überquerte die weite Hochebene und gelangte wieder in die Berge. Sie waren nicht so hoch wie die, die hinter ihm lagen, aber sie waren so unwegsam, dass sie seine Reise verzögerten. Zweimal wandte er sich auf der Straße an größere Gruppen von Reisenden, um sich ihnen anzuschließen, aber jedes Mal wurde er abgewiesen.
Er kam in eine große Stadt, suchte die Taverne auf und stellte außer sich vor Freude fest, dass der Wirt ein paar Worte Englisch konnte. Von diesem Mann erfuhr er, dass die Stadt Brunn hieß. Die Menschen, durch deren Gebiet er reiste, gehörten zumeist dem Stamm der Tschechen an. Er konnte nicht mehr erfahren, nicht einmal, wo der Mann seinen kleinen englischen Wortschatz erworben hatte, weil bereits das einfache Gespräch die sprachlichen Fähigkeiten des Wirtes erschöpft hatte. Als Rob die Taverne verließ, ertappte er in seinem Wagen einen Mann, der seine Habseligkeiten durchsuchte.
»Hinaus«, sagte er leise und zog sein Schwert, aber der Bursche sprang vom Wagen und verschwand, bevor Rob ihn aufhalten konnte. Robs Geldbörse war noch sicher an die Unterseite des Wagens genagelt, und das einzige, was fehlte, war ein Stoffsack mit den Utensilien, die er bei den Zauberkunststücken verwendete. Er tröstete sich mit dem Gedanken an das Gesicht des Diebes, wenn er den Sack öffnete. Danach polierte er seine Waffen jeden Tag und ließ eine dünne Fettschicht auf den Klingen, damit sie beim leichtesten Zug aus den Scheiden glitten. Nachts schlief er unruhig oder gar nicht, und er lauschte auf jedes Geräusch, ob sich nicht jemand an ihn heranschlich. Er wusste, dass er wenig Chancen hatte, wenn er von einer Bande wie den zerlumpten Reitern angegriffen würde. So blieb er noch neun lange Tage allein und ungeschützt, bis er eines Morgens auf der Straße den Wald verließ und zu seiner Verwunderung und Freude mit aufkeimender Hoffnung einen winzigen Ort vor sich sah, der von einer großen Karawane überschwemmt worden war.
Die sechzehn Häuser des Dorfes waren von mehreren hundert Tieren eingeschlossen. Rob sah Pferde und Maultiere jeglicher Größe und Art, gesattelt oder an Wagen, Karren und die verschiedensten Planwagen gespannt. Er band die Stute an einen Baum. Überall wimmelte es von Menschen, und während er sich durch die Menge drängte, vernahmen seine Ohren ein Durcheinander unverständlicher Sprachen. »Bitte«, sagte er zu einem Mann, der sich abmühte, ein Rad zu wechseln, »wo ist der Leiter der Karawane?« Er half dem Mann, das Rad auf die Nabe zu heben, erhielt aber nur ein dankbares Lächeln und ein verständnisloses Kopfschütteln als Antwort. »Der Meister der Karawane?« fragte er den nächsten Reisenden, der zwei Gespanne großer Ochsen fütterte, auf deren lange, spitze Hörner hölzerne Kugeln gesteckt waren.
»Ah, der Meister? Karl Fntta«, sagte der Mann und zeigte in eine bestimmte Richtung.
Danach war es leicht, denn den Namen Karl Fritta kannten alle. Wann immer Rob ihn aussprach, war die Antwort ein Nicken und ein weisender Finger, bis er schließlich zu einem Tisch kam, der auf einem Feld neben einem großen Wagen stand. Die sechs größten, zusammenpassenden schweren Füchse waren vor das Gefährt gespannt, die Rob je gesehen hatte. Auf dem Tisch lag ein blankes Schwert, und dahinter saß ein Mann, der sein langes braunes Haar zu zwei dicken Zöpfen geflochten hatte und in ein Gespräch mit dem ersten Mann in einer langen Reihe von Wartenden vertieft war, die mit ihm sprechen wollten.
Rob stand am Ende der Reihe. »Ist das Karl Fritta?« fragte er. »Ja, das ist er«, antwortete ein Mann vor ihm. Sie schauten einander erstaunt an.
»Ihr seid Engländer?«
»Schotte«, antwortete der Mann. »Freut mich! Freut mich!« murmelte er und ergriff Robs
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