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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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daheim.
    Er reichte Charbonneau die Trommel und befahl ihm, sie zu schlagen. Der Franzose wirkte zunächst erheitert, doch sein Interesse erwachte, als die Stute beim Klang der Trommel zu tänzeln begann. »Heute Vorstellung!
    Vorstellung!« rief Rob.
    Charbonneau begriff sofort und übersetzte von nun an alles, sobald Rob es aussprach.
    Die Vorstellung in Frankreich war für Rob ein komisches Erlebnis. Die Zuschauer lachten bei den gleichen Geschichten, aber an anderen Stellen, vielleicht, weil sie auf Übersetzung warten mußten. Während Rob jonglierte, sah ihm Charbonneau gebannt zu, und seine begeistert hervorgesprudelten Bemerkungen steckten die Menge an, die heftig Beifall klatschte.
    Sie verkauften eine große Menge vom universellen Spezificum.
    An diesem Abend bat Charbonneau am Lagerfeuer Rob immer wieder zu jonglieren, aber dieser weigerte sich.
    »Du wirst noch genug davon bekommen, mir zuzusehen, keine Angst!«
    »Es ist erstaunlich. Machst du es seit deiner Kindheit?«
    »Ja.« Er erzählte Charbonneau, wie der Bader ihn aufgenommen hatte, nachdem seine Eltern gestorben waren.
    Charbonneau nickte. »Du hast Glück gehabt. Als ich zwölf war, starb mein Vater, und mein Bruder Etienne und ich wurden auf einem Seeräuberschiff als Schiffsjungen untergebracht.«
    »Hast du nicht gesagt, dass dich deine erste Reise nach London geführt hat?«
    »Meine erste Reise auf einem Handeisschiff, als ich siebzehn war.
    Vorher bin ich fünf Jahre lang mit Seeräubern gesegelt.«
    »Mein Vater hat sich bei drei Invasionen an der Verteidigung Englands beteiligt. Zweimal, als die Dänen London besetzten, und einmal, als Seeräuber Rochester überfielen.«
    »Meine Seeräuber haben London nicht angegriffen. Einmal sind wir bei Romney gelandet, haben zwei Häuser angezündet und eine Kuh mitgehen lassen, die wir geschlachtet haben, um sie zu essen.«
    Sie schauten einander an.
    »Es waren böse Männer. Ich tat es, um am Leben zu bleiben.«
    Rob nickte. »Und Etienne? Was wurde aus Etienne?«
    »Als er alt genug war, lief er ihnen davon und ging zurück in unsere Stadt, wo er Bäckerlehrling wurde. Heute ist auch er ein alter Mann, aber er bäckt ausgezeichnetes Brot.«
    Rob lächelte und wünschte ihm gute Nacht.

    Alle paar Tage fuhren sie auf einen anderen Dorfplatz, wo das Weitere wie gewohnt ablief: die unanständigen Lieder, die schmeichelnden Porträts, die alkoholischen Behandlungen. Zuerst übersetzte Charbonneau Robs baderchirurgische Reklamesprüche, doch bald kannte sie der Franzose so gut, dass er selbständig eine Menge anlocken konnte. Rob arbeitete hart, um seine Geldkassette zu füllen, denn er wusste, dass das Geld an fremden Orten Schutz bedeutete.
    Der Juni war warm und trocken. Sie bissen kleine Stückchen von der Olive ab, die Frankreich hieß, durchquerten den Norden und fanden sich im Frühsommer beinahe an der deutschen Grenze. »Wir nähern uns Straßburg«, stellte Charbonneau eines Morgens fest. »Fahren wir hin, damit du deine Verwandten besuchen kannst.«
    »Wenn wir das tun, verlieren wir zwei Tage«, bemerkte der gewissenhafte Charbonneau, aber Rob hob lächelnd die Schultern, denn er konnte inzwischen den älteren Franzosen gut leiden. Die Stadt war schön, es wimmelte in ihr von Handwerkern, die eine große Kathedrale bauten, der man bereits jetzt ansah, dass sie Straßburgs breite Straßen und stattliche Häuser an Schönheit weit übertreffen würde. Sie fuhren geradewegs zur Bäckerei, wo der redselige Etienne Charbonneau seinen Bruder in die mehligen Arme schloß. Sie verbrachten einen fröhlichen Abend mit Etiennes Kindern und deren Familien, bei dem Louis und Etienne zur allgemeinen Belustigung für Rob übersetzten. Die Kinder tanzten, die Frauen sangen, Rob jonglierte zum Dank für das Abendessen, und Etienne spielte die Rohrpfeife ebenso gut, wie er Brot buk. Als die Verwandten schließlich nach Hause gingen, küßten alle die Reisenden zum Abschied. Am Morgen zeigte der Bäcker Rob seine großen, runden Öfen, und er schenkte den beiden einen Sack voll >Hundebrot<, das zweimal gebacken war, so dass es hart und unverderblich war wie Schiffszwieback. Die Straßburger mussten an diesem Tag auf ihre Brotlaibe warten, denn Etienne schloss die Bäckerei und begleitete sie ein Stück. Die römische Straße führte nicht weit von Etiennes Haus zum Rhein und dann stromabwärts zu einer ein paar Meilen entfernten Furt. Die Brüder beugten sich aus ihren Sätteln und küßten einander.

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