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Medicus 02 - Der Schamane

Titel: Medicus 02 - Der Schamane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Unangenehmes und Widerwärtiges zu ertragen, und die herbe, aber notwendige Botschaft, dass die Arbeit eines Arztes sich nicht im Kassieren von Honoraren und dem Genuss einer angesehenen Stellung in der Gesellschaft erschöpfte. Nach wenigen Minuten hatten bereits einige den Raum verlassen, darunter ein junger Mann, der in größter Eile hinausstürzte. Doch zu Dr. McGowans Befriedigung kehrten nach einer Weile alle wieder zurück. Fast eine Stunde lang ging er zwischen den Tischen umher und überwachte den Fortschritt ihrer Arbeit. Unter den Studenten waren einige reife Männer, die nach einer Lehrzeit bereits Medizin praktiziert hatten; denen blieben die Übelkeitsanfälle weitgehend erspart. Aus Erfahrung wusste Dr. McGowan, dass einige von ihnen hervorragende Ärzte werden würden, doch als er sah, wie einer dieser Älteren, ein Mann namens Ruel Torrington, eine Schulter attackierte, seufzte er nur, denn er dachte an die chirurgischen Katastrophen, die dieser Mann hinterlassen haben musste.
    Am letzten Tisch, an dem ein dicker Student schwitzend einen Kopf bearbeitete, der fast nur noch Schädel war, blieb er einen Augenblick länger stehen. Dem Dicken gegenüber saß der Taube. Er besaß offensichtlich bereits Erfahrung, denn er hatte das Skalpell geschickt dazu benutzt, den Arm in Schichten zu öffnen. Diese Geschicklichkeit deutete auf ein anatomisches Vorwissen hin, das McGowan ebenso freute wie überraschte. Er sah, dass die Gelenke, Muskeln, Nerven und Blutgefäße in der Zeichnung sauber dargestellt und beschriftet waren. Eben schrieb der junge Mann seinen Namen auf das Blatt und reichte es dem Professor: Cole, Robert J. »Ja. Ah, Cole, in Zukunft sollten Sie etwas größer schreiben!«
    »Ja, Sir«, sagte Cole laut und deutlich. »Sonst noch etwas?«
    »Nein. Sie können Ihr Präparat in den Behälter zurücklegen und Ihren Platz säubern. Danach können Sie gehen.« Diese Entlassung verleitete einige Studenten dazu, ihr Blatt ebenfalls abzugeben, doch Dr. McGowan schickte sie alle mit Verbesserungsvorschlägen zurück. Während er sich mit den Studenten unterhielt, beobachtete er Cole. Nachdem der Taube sein Präparat in den Behälter zurückgelegt hatte, wusch und trocknete er sein Skalpell ab und legte es an seinen Platz zurück. Er trug eine Schüssel mit Wasser zum Seziertisch und schrubbte den Teil, den er benutzt hatte. Dann nahm er frisches Wasser und Kernseife und wusch sich gründlich Hände und Arme, bevor er die Ärmel herunterkrempelte.
    Beim Hinausgehen blieb Cole kurz bei dem dicken Jungen stehen und studierte dessen Zeichnung. Dr. McGowan sah, dass er sich hinunterbeugte und etwas flüsterte. Aus dem Gesicht des anderen Jungen wich ein Teil der Verzweiflung, und er nickte, als Cole ihm auf die Schulter klopfte. Dann machte sich der Dicke wieder an die Arbeit, und der Taube verließ den Saal.

Herztöne
    Für Shaman war die Medical School beinahe wie ein weit entferntes, fremdes Land, in das nur gelegentlich beängstigende Gerüchte über den bevorstehenden Krieg in den Vereinigten Staaten drangen. Er hörte von einer Friedenskonferenz in Washington, D.C., an der einhunderteinunddreißig Delegierte aus einundzwanzig Staaten teilnehmen sollten. Doch am Morgen der Eröffnung dieser Konferenz konstituierte sich in Montgomery, Alabama, der Provisorische Kongress der Konföderierten Staaten von Amerika. Einige Tage später stimmten die Konföderierten für einen Abfall von den Vereinigten Staaten, und im ganzen Land setzte sich die erschreckende Erkenntnis durch, dass es Krieg geben werde.
    Shaman konnte den Problemen der Nation allerdings nur flüchtige Aufmerksamkeit schenken, er kämpfte seinen ganz persönlichen Überlebenskampf. Glücklicherweise war er ein guter Student. Nachts saß er über seinen Büchern, bis er nichts mehr sah, und fast jeden Morgen lernte er schon vor dem Frühstück einige Stunden. Die Vorlesungen wurden montags bis samstags von zehn bis eins und von zwei bis fünf gehalten. Oft fanden sie vor oder während der Behandlungszeiten in den sechs Spezialkrankenhäusern statt, die der Poliklinik ihren Namen gaben: am Dienstagnachmittag Erkrankungen der Brust; am Dienstagabend Geschlechtskrankheiten; am Donnerstagnachmittag Kinderkrankheiten; am Donnerstagabend Frauenleiden; am Samstagvormittag Chirurgie; und am Samstagnachmittag Allgemeinmedizin. Am Sonntagnachmittag beobachteten die Studenten die Arbeit der Ärzte auf den Stationen.
    An Shamans sechstem Samstag in der

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