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Medicus 02 - Der Schamane

Titel: Medicus 02 - Der Schamane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Stunden vergingen.
    Allmählich kam es ihm so vor, als habe er den größten Teil seines Lebens damit verbracht, in diesem kleinen feuchten Raum Menschen zu zerschneiden, und er fühlte sich verdammt dazu, immer hier zu bleiben und weiterzumachen. Doch irgendwann änderten sich die Geräusche, die zu ihnen herunterdrangen. Sie hatten sich längst an die Schreie und das Stöhnen, an den Kanonendonner und das Gewehrfeuer, die Explosion von Minen und sogar an die Erschütterung, die nahe Einschläge verursachten, gewöhnt. Aber nun erreichte das Inferno ein neues Crescendo, eine unaufhörliche Folge von Schüssen und Explosionen, die mehrere Stunden andauerte. Danach trat plötzlich eine relative Stille ein, in der die Leute in der Kirche auf einmal miteinander sprechen konnten, ohne schreien zu müssen. Und dann war da ein neuer Lärm, ein Brüllen, das auftoste und verebbte und weiter und weiter wogte wie der Ozean, und als Rob J. einen konföderierten Helfer hinausschickte, damit er feststelle, was das war, kam der Mann kurz darauf zurück und berichtete gebrochen, es sei das Triumphgeheul der gottverdammten Yankees.
    Als Lanning Ordway einige Stunden später kam, stand Rob J. immer noch am Operationstisch. »Doc! Mein Gott, Doc! Sie kommen jetzt mit mir!« Von Ordway erfuhr Rob J., dass er fast zwei Tage in diesem Keller zugebracht hatte, und der Corporal berichtete ihm, wo das 119. Regiment biwakierte. Rob J. ließ sich von seinem guten Kameraden und schlimmsten Feind in einen unbenutzten Lagerraum führen, wo ein weiches Bett aus sauberem Heu für ihn aufgeschüttet worden war. Er legte sich hin und schlief sofort ein. Spät am folgenden Nachmittag weckten ihn das Stöhnen und die Schreie der Verwundeten, die man um ihn herum auf den Boden gelegt hatte. Andere Chirurgen hatten die Tische übernommen und kamen gut ohne ihn zurecht. Es hatte keinen Sinn zu versuchen, den Abort der Kirche zu benutzen, da dieser schon längst übergelaufen war. Also trat Rob J. hinaus in den strömenden Regen und entleerte seine Blase hinter einigen Fliederbüschen, die jetzt wieder der Union gehörten. Ganz Gettysburg gehörte wieder der Union. Er hatte vergessen, wo sein Regiment lagerte, und fragte jeden, dem er begegnete. Schließlich fand er es südlich der Stadt, verstreut über mehrere Felder. Wilcox und Ordway begrüßten ihn mit einer Herzlichkeit, die ihn rührte. Sie hatten Eier! Während Lanning Ordway Zwieback zerkrümelte und die Bröckchen mit Eiern als Frühstück für den Doktor in Schweinefett briet, berichteten sie ihm, was sich ereignet hatte - das Schlechte zuerst. Der beste Kornettbläser der Kapelle, Thad Bushman, war gefallen. »Er hatte nur ein winziges Loch in der Brust«, sagte Wilcox. »Die Kugel muss direkt ins Schwarze getroffen haben.« Lewin Robinson hatte es als ersten von den Bahrenträgern erwischt. »Wurde in den Fuß geschossen, kaum dass Sie weg waren«, erzählte Ordway. »Und Lawrence wurde gestern von der Artillerie fast in zwei Stücke gerissen.«
    Ordway stellte die Pfanne mit dem Eier-Zwieback-Gemisch vor Rob J., der mit aufrichtiger Trauer an den ungeschickten Trommler dachte. Doch zu seiner Beschämung konnte er dem Essen nicht widerstehen, und er stürzte sich gierig darauf.
    »Oscar war zu jung. Er hätte eigentlich zu Hause bei seiner Ma bleiben sollen«, sagte Wilcox bitter. Rob J. verbrannte sich den Mund an dem Kaffee, der entsetzlich war und trotzdem herrlich schmeckte. »Wir hätten eigentlich alle bei unseren Mas zu Hause bleiben sollen«, meinte er und rülpste. Er aß etwas langsamer weiter und trank eine zweite Tasse Kaffee, während sie ihm schilderten, was in den beiden Tagen passiert war, die er im Keller der Kirche zugebracht hatte.
    »Am ersten Tag drängten sie uns zurück auf die Anhöhe nördlich der Stadt«, sagte Ordway. »Das war das Beste, was uns passieren konnte. Am nächsten Tag standen wir in einer langen Linie, die zwischen zwei Hügelpaaren verlief, zwischen Cemetery Hill und Culp’s Hill im Norden, nahe der Stadt, sowie Round Top und Little Round Top ein paar Meilen weiter südlich. Die Kämpfe waren furchtbar. Furchtbar. Eine Unmenge Gefallener. Wir kamen gar nicht mehr nach mit dem Abtransportieren der Verwundeten.
    »Aber wir haben es gut gemacht«, warf Wilcox ein. »Wie Sie’s uns gezeigt haben.«
    »Davon bin ich überzeugt.« Rob J. nickte.
    »Am nächsten Tag sollten wir Howards Korps verstärken. Gegen Mittag wurden wir von Konföderiertenkanonen

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