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Medicus 02 - Der Schamane

Titel: Medicus 02 - Der Schamane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Pferdes quoll ein roter Doppelstrom.
    Das mee-shome enthielt auch eine Spritze mit einer Kupfernadel und Morphium, aber es herrschte noch immer ein großer Mangel an Opiaten, weshalb sie nicht an ein Tier verschwendet werden durften. Zehn Meter entfernt lag ein junger gefallener Konföderiertenleutnant, und Rob J. ging zu ihm und zog den schweren, dunklen Navy-Revolver aus seinem Halfter. Dann kehrte er zu seinem armen Pferd zurück, drückte die Mündung der Waffe unter Pretty Boys Ohr und zog den Abzug durch.
    Er hatte sich erst ein paar Meter entfernt, als er einen brennenden Schmerz in seinem linken Oberarm spürte — als habe ihn eine überdimensionale Biene gestochen. Er machte noch drei Schritte, dann schien die umbrafarbene, süßlich nach Dung riechende Erde sich hochzuwölben, um ihn aufzunehmen. Sein Verstand arbeitete klar. Er wusste, dass er kurz das Bewusstsein verloren hatte und gleich wieder zu Kräften kommen würde, und währenddessen lag er da und betrachtete mit dem kritischen Auge eines Malers die ockerfarbene Sonne am rötlichen Himmel und hörte die Geräusche um sich herum leiser werden, als breite jemand eine Decke über den Rest der Welt. Er wusste nicht, wie lange er so dagelegen hatte, als er schließlich den Kopf zur Seite drehte, um einen Packen Kompressen aus seinem Medizinbündel zu nehmen und sie auf seine Wunde zu drücken. Das mee-shome war blutig, und Rob J. musste unwillkürlich darüber lachen, dass ein Atheist versucht hatte, aus einem alten, mit Wildschweinborsten verzierten Lederbeutel und ein paar bunten Riemen aus gegerbtem Leder einen Gott zu schaffen. Schließlich kam Wilcox’ Mannschaft, um ihn zu holen. Der Sergeant- eine Kreatur, die ihn an Pretty Boy erinnerte - plapperte schielend und fürsorglich dieselben Nichtigkeiten, die er selbst in dem Bemühen, Trost zu spenden, tausendmal zu Patienten gesagt hatte. Die Südstaatler hatten erkannt, dass sie zahlenmäßig weit unterlegen waren, und sich bereits zurückgezogen. Das Gelände war mit toten Soldaten und Pferden, kaputten Wagen und verstreuten Ausrüstungsgegenständen übersät, und Wilcox überlegte laut, dass der Farmer wohl eine Menge Arbeit haben würde, um das Feld wieder in Ordnung zu bringen.
    Rob J.s Verletzung war nicht schwer, aber alles andere als ein bloßer Kratzer. Das Geschoss hatte zwar den Knochen verfehlt, jedoch Fleisch und Muskeln weggerissen. Coppersmith versorgte die Wunde sorgfältig und schien bei dieser Aufgabe große Befriedigung zu empfinden.
    Rob J. wurde mit sechsunddreißig anderen Verwundeten in ein Lazarett in Fredericksburg gebracht, wo er zehn Tage blieb. Sie waren in einem ehemaligen Lagerhaus untergebracht, das sauberer hätte sein können, doch der diensthabende Sanitätsoffizier, ein Major namens Sparrow, der vor dem Krieg in Connecticut praktiziert hatte, war ein fähiger Mann. Rob J. erinnerte sich an Dr. Milton Akersons Experimente mit Chlorwasserstoff in Illinois, und Dr. Sparrow gestattete ihm, seine eigene Wunde von Zeit zu Zeit mit einer milden Chlorwasserstofflösung auszuwaschen. Es brannte, doch die Wunde heilte langsam ohne Infektion, und die beiden Ärzte kamen überein, dass es wahrscheinlich sinnvoll sei, dieses Verfahren auch bei anderen Patienten anzuwenden. Rob J. war in der Lage, seine Finger abzubiegen und seine linke Hand zu bewegen, obwohl es ziemlich schmerzte. Er war sich mit Dr. Sparrow einig, dass es noch zu früh sei, darüber zu urteilen, inwieweit der verletzte Arm schließlich wieder zu gebrauchen wäre.
    Colonel Symonds kam ihn nach einer Woche im Lazarett besuchen. »Fahren Sie heim, Doktor Cole! Wenn Sie sich erholt haben und zu uns zurückkommen wollen, sind Sie herzlich willkommen«, sagte er, obwohl beide wussten, dass Rob J. nicht zurückkommen würde. Symonds dankte ihm unbeholfen. »Falls ich überlebe und es Sie irgendwann einmal nach Fort Wayne in Indiana verschlägt, müssen Sie mich unbedingt in der Symonds Lamp Chimney Factory besuchen. Und dann werden wir eine Menge essen und eine Menge trinken und endlos über die schlechten alten Zeiten reden.« Sie schüttelten einander bewegt die Hand, bevor der junge Colonel ging. Rob J. brauchte dreieinhalb Tage, um nach Hause zu kommen, und musste nach der Fahrt mit der Baltimore & Ohio Railway viermal auf andere Bahnlinien umsteigen. Alle Züge fuhren mit Verspätung, waren schmutzig und vollgestopft mit den unterschiedlichsten Reisenden. Robs Arm hing in einer Schlinge, doch da er hier nur

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