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Medicus 03 - Die Erben des Medicus

Titel: Medicus 03 - Die Erben des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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so wie es sich im Augenblick gestaltete, und sie merkte, daß sie empfänglich war für Sidney Ringgolds Vertrauen in sie und für die Tatsache, daß er ihr immer wieder Chancen gegeben hatte, die andere Männer ihr verweigert hätten. Außerdem sah sie noch immer Tessas Gesichtsausdruck vor sich, als sie gesagt hatte, daß noch nie eine Frau stellvertretender medizinischer Direktor gewesen war. Gegen zehn stand sie auf, zog ihren ältesten Trainingsanzug, eine Windjacke und ihre unansehnlichsten Laufschuhe an und setzte sich eine Red-Sox-Kappe auf, die sie sich tief über die Ohren zog. Draußen patschten ihre Füße durch Wasser und waren tropfnaß, bevor sie auch nur zwanzig Meter vom Haus entfernt war. Trotz des Tauwetters war es noch Winter in Massachusetts, und sie war naß und zitterte, aber das Joggen brachte ihren Kreislauf in Schwung, und ihr wurde schnell wieder warm. Sie hatte vorgehabt, nur bis zum Memorial Drive und zurück zu laufen, aber die Bewegung tat einfach zu gut, und so trabte sie am gefrorenen Charles River entlang und beobachtete, wie der Regen auf das dicke Eis fiel, bis sie schließlich müde wurde. Auf dem Rückweg wurde sie zweimal von Autos vollgespritzt, aber das machte nichts, denn sie war bereits naß wie eine Schwimmerin. Sie ging durch die Hintertür ins Haus, warf die nassen Kleider auf den Fliesenboden in der Küche und trocknete sich mit einem Geschirrtuch ab, damit sie auf dem Weg zur Dusche nicht den Teppich volltropfte. Sie blieb so lange unter dem sehr heißen Strahl, daß der Spiegel, als sie aus der Dusche trat, um sich abzutrocknen, beschlagen war und sie sich nicht sehen konnte.
    Sie hatte eben angefangen, sich anzuziehen, als sie plötzlich die Entscheidung traf, in den Kampf um den Posten einzusteigen und den Vorsitz von Sidneys Ausschuß zu übernehmen. Aber nicht als Ersatz für eine ihrer anderen Aktivitäten. Donnerstag bleibt Donnerstag, Dr. Ringgold!
    Nur in Slip und einem Tufts-University-T-Shirt griff sie zum schnurlosen Telefon und wählte seine Privatnummer. »R.J. hier«, sagte sie, als er sich meldete. »Ich war mir nicht sicher, ob Sie zu Hause sein würden.« Die Ringgolds besaßen ein Strandhaus auf Martha's Vineyard, und Gloria Ringgold bestand darauf, daß sie so viele Wochenenden wie möglich auf der Insel verbrachten.
    »Na ja, bei dem beschissenen Wetter«, sagte Dr. Ringgold. »Wir sitzen hier übers Wochenende fest. Man muß schon ein vollkommener Trottel sein, wenn man an einem Tag wie heute vor die Tür geht«
    R.J. klappte den Klosettdeckel herunter, setzte sich auf ihn und lachte. »Da haben Sie vollkommen recht, Sidney«, sagte sie.

Eine Aufforderung zum Tanz
    Am Dienstag hielt sie den Kurs über iatrogene Krankheiten an der Medical School, der ihr viel Spaß machte, weil fast die ganzen zwei Stunden lang heftig diskutiert wurde. Es gab noch immer Studenten, die ein Medizinstudium in der arroganten Hoffnung aufnahmen, zu unfehlbaren Göttern der Heilkunst ausgebildet zu werden. Sie sperrten sich gegen jede Beschäftigung mit der Tatsache, daß Ärzte bei dem Versuch zu heilen ihren Patienten manchmal Verletzungen und Leiden zufügen. Aber die meisten Studierenden kannten ihren Platz in Zeit und Gesellschaft und wußten, daß eine explodierende Technologie die Möglichkeit, daß der Mensch Fehler machte, nicht beseitigt hatte. Für sie war es wichtig, daß sie sich sehr genau der Situationen bewußt waren, in denen es zu Verletzungen oder sogar zum Tod der Patienten kommen konnte und die letztendlich dazu führten, daß sie ihr schwer verdientes Geld für die Entschädigung bei Kunstfehlern ausgeben mußten.
    Ein guter Kurs. Ein kleiner Lichtblick in meiner sonst so verfahrenen Lage, dachte sie, als sie zum Krankenhaus zurückging.
    Sie war erst einige Minuten in ihrem Büro, als Tessa ihr sagte, daß Tom am Telefon sei.
    »R.J., Elizabeth ist heute frühmorgens gestorben.«
    »Ach, Tom.«
    »Ja. Wenigstens leidet sie jetzt nicht mehr.«
    »Ich weiß. Das ist gut so, Tom.«
    Trotzdem merkte sie, daß er jetzt litt, und sie war überrascht, wie sie mit ihm empfand. Die Liebe war dahin, aber zweifellos war eine lebhafte emotionale Anteilnahme geblieben. Vielleicht brauchte er Gesellschaft. »Hör zu, sollen wir uns heute abend irgendwo zum Essen treffen?« fragte sie spontan. »Vielleicht im North End ?«
    »Oh. Nein, ich ...« Er klang verlegen. »Also, ich habe heute schon etwas vor, das ich nicht absagen kann.«
    Er läßt sich von jemand

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