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Medicus 03 - Die Erben des Medicus

Titel: Medicus 03 - Die Erben des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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etwas passiert?«
    »O nein, Ma'am. Nein, Ma'am. Wir hätten uns nur gerne mit Dr. Kendricks unterhalten.« Die Beamtin, die das gesagt hatte, war eine drahtige Frau im Rang eines Corporal, ihr Begleiter ein stämmiger Mann in Zivilkleidung: schwarzer Hut, schwarze Schuhe, Regenmantel, graue Hose. Beide verströmten eine Aura ernstgesichtigen Diensteifers.
    »Was ist denn los, R.J.?« fragte Tom. In einer blauen Anzughose mit mattrosa Nadelstreifen, Socken und Unterhemd stand er am Treppenabsatz.
    »Dr. Kendricks?«
    »Ja. Was ist los?«
    »Ich bin Corporal Flora McKinnon, Sir«, sagte die Beamtin.
    »Und das ist Trooper Robert Travers. Wir gehören zum C-PAC, der Einheit zur Verbrechensprävention und -kontrolle, einer Unterabteilung des Büros von Edward W. Wilhoit, dem Bezirksstaatsanwalt von Middlesex County. Mr. Wilhoit würde sich gerne mit Ihnen unterhalten, Sir.«
    »Wann?«
    »Jetzt gleich, Sir. Er möchte, daß Sie mit uns in sein Büro kommen.«
    »Ach du meine Güte! Wollen Sie damit sagen, daß er um fünf Uhr dreißig in der Früh bereits arbeitet?«
    »Jawohl, Sir«, erwiderte die Frau.
    »Haben Sie einen Haftbefehl?«
    »Nein, Sir, haben wir nicht«
    »Nun, dann sagen Sie Mr. Wilhoit, daß ich seine freundliche Einladung ablehne. In einer Stunde muß ich im Operationssaal des Middlesex Memorial sein und jemanden an der Gallenblase operieren, einen Menschen, der sich auf mich verläßt. Sagen Sie Mr. Wilhoit, daß ich um dreizehn Uhr dreißig in sein Büro kommen kann. Wenn ihm das recht ist, soll er es meine Sekretärin wissen lassen, wenn nicht, dann können wir uns einen anderen Termin überlegen, der uns beiden paßt. Haben Sie mich verstanden?«
    »Ja, Sir. Das haben wir«, sagte die rothaarige Beamtin. Dann nickten beide Staatspolizisten und verschwanden in der Dunkelheit. Tom blieb oben auf dem Treppenabsatz. R.J. stand unten und sah zu ihm hoch. Sie hatte Angst um ihn. »Mein Gott, Tom. Was soll das werden?«
    »Vielleicht kommst du besser mit mir, R.J.«
    »Diese Art von Anwalt war ich nie. Ich komme mit. Aber du solltest besser noch jemand anderen mitnehmen«, entgegnete sie.
    Sie sagte ihre Mittwochsvorlesung ab und telefonierte drei Stunden lang mit verschiedenen Anwälten, Leuten, von denen sie wußte, daß sie die Vertraulichkeit wahren und ihr einen ehrlichen Rat geben würden. Ein Name tauchte immer wieder auf. Nat Rourke. Er war schon sehr lange im Geschäft. Er war keiner der schillernden Staranwälte, aber sehr intelligent, und er hatte einen ausgezeichneten Ruf. R.J. war ihm nie begegnet. Er meldete sich nicht persönlich, als sie sein Büro anrief, aber eine Stunde später rief er sie zurück.
    Er sagte so gut wie nichts, während sie ihm die Einzelheiten des Falles darlegte.
    »Nein, nein, nein«, sagte er dann leise. »Sie und Ihr Gatte werden nicht um dreizehn Uhr dreißig zu Wilhoit gehen. Um zwölf Uhr dreißig werden Sie in mein Büro kommen. Um fünfzehn Uhr habe ich hier noch eine kurze Besprechung. Wir werden dann um sechzehn Uhr fünfundvierzig zum Staatsanwalt gehen. Meine Sekretärin wird Wilhoit anrufen und ihm den neuen Termin nennen.«
    Nat Rourkes Kanzlei befand sich in einem soliden alten Gebäude hinter dem State House, sehr komfortabel, aber schon ein wenig verwittert. Der Anwalt selbst erinnerte R.J. an Fotos von Irving Berlin, ein kleiner Mann mit blasser Haut und scharf geschnittenen Gesichtszügen, elegant gekleidet in dunklen und gedämpften Farben, einem sehr weißen Hemd und einer Universitätskrawatte, die sie nicht kannte. Penn, fand sie später heraus. Rourke bat Tom, ihm genau die Umstände zu schildern, die zu Elizabeth Sullivans Tod geführt hatten. Er beobachtete Tom dabei eingehend, hörte ihm sehr aufmerksam zu und unterbrach ihn nicht, sondern wartete, bis er geendet hatte. Dann nickte Rourke, spitzte die Lippen, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und faltete vor seiner leicht gewölbten Anzugweste die Hände.
    »Haben Sie sie getötet, Dr. Kendricks?«
    »Ich brauchte sie nicht zu töten. Dafür hat schon der Krebs gesorgt. Sie hätte auch von allein aufgehört zu atmen, das war nur eine Frage von Stunden, vielleicht von Tagen. Sie hätte nie das Bewußtsein wiedererlangen, nie wieder Betts sein können, ohne unter entsetzlichen Schmerzen zu leiden. Ich habe ihr versprochen, sie nicht unnötig leiden zu lassen. Sie erhielt bereits sehr hohe Dosen Morphium. Ich habe die Dosis erhöht, damit sie keine Schmerzen mehr hatte. Falls das dann zu einem

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