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Medicus 03 - Die Erben des Medicus

Titel: Medicus 03 - Die Erben des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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eine Mischung aus Pferdedunst, raeinem eigenen Schweiß und dem schweren Aroma großer Flächen frisch gemähten Grases. Meine Haut wurde dunkel von der Sonne, und mein Körper wurde langsam wieder stärker und härter. Ich ließ mir die Haare wachsen, und der Bart wucherte in meinem Gesicht. Mit der Zeit fühlte ich mich wie Samson. »Rebbe«, fragte ich eines Abends beim Essen, »glaubst du wirklich, daß Gott allmächtig ist?«
    Die langen weißen Finger kraulten den langen weißen Bart »In jeder Hinsicht bis auf einer«, antwortete er schließlich. »Gott ist in jedem von uns. Aber wir müssen ihm erlauben herauszukommen.«
    Den ganzen Sommer über hatte ich echte Freude an der Arbeit. Ich dachte an dich, während ich mich abplagte, und ich gestattete es mir, weil ich das Gefühl hatte, langsam wieder mein eigener Herr zu werden. Ich hatte bereits wieder gewagt, Hoffnung zu fassen, aber ich blieb auch Realist und wußte, daß ich Alkoholiker war, weil mir eine bestimmte Art von Mut fehlte. Mein ganzes Leben lang war ich geflohen: Ich war vor dem Grauen, das ich in Vietnam erlebt hatte, geflohen - in den Alkohol. Ich war vor dem Rabbiamt geflohen - ins Maklergewerbe. Ich war vor einem persönlichen Verlust geflohen - in die Selbsterniedrigung. Ich machte mir nur wenig Illusionen über mich selbst.
    In mir baute sich ein Druck auf. Während der Sommer zu Ende ging, versuchte ich mich abzulenken, manchmal beinahe verzweifelt, aber schließlich ließ dieser Druck sich nicht mehr leugnen. Am heißesten Tag im August half ich Simon Yoder beim Einbringen der letzten Heuernte, und dann fuhr ich nach Akron.
    Der Schnapsladen war noch genau dort, wo ich ihn in Erinnerung hatte. Ich kaufte eine Literflasche »Seagram's-Seven-Crown«-Whiskey; in einer koscheren Bäckerei fand ich Kichlach, und auf dem jüdischen Marktkaufte ich ein halbes Dutzend Gläser Salzheringe. Offensichlich war der Deckel eines dieser Gläser locker, denn schon nach kurzer Fahrt wehte der scharfe, tranige Fischgeruch durchs Auto.
    Ich ging zu einem Juwelier und machte meinen letzten Einkauf: eine einzelne Perle an einer feinen Goldkette. Das kleine Schmuckstück gab ich noch am selben Abend Dvora Moscowitz zusammen mit einem Scheck für die Miete anstelle einer offiziellen Kündigung. Sie küßte mich auf beide Wangen.
    Am nächsten Morgen nach der Andacht schenkte ich den Männern die Eßsachen und den Whiskey. Ich gab jedem die Hand.
    Der Rebbe brachte mich zum Auto und gab mir eine Tüte, die Dvora für mich gepackt hatte, Thunfischsandwiches und Streuselkuchen. Von Rabbi Moscowitz erwartete ich etwas Gewichtigeres, und der alte Mann enttäuschte mich nicht »Möge der Herr dich segnen und beschützen! Möge er dir Sein Antlitz freundlich zuwenden und dir Frieden bringen!«
    Ich dankte ihm und ließ den Motor an. »Schalom, Rebbe!« Ich war mir bewußt, daß ich diesmal einen Ort ordentlich verließ.
    Diesmal sagte ich dem Auto, wohin es fahren sollte, und ich steuerte es direkt nach Massachusetts.
    Als David mit seiner Geschichte zu Ende war, sah R.J. ihn an.
    »Und... soll ich bleiben?« fragte er sie.
    »Ich glaube, ja, zumindest für eine gewisse Zeit.«
    »Für eine gewisse Zeit?«
    »Ich bin mir noch nicht ganz klar über dich. Aber bleib erst mal eine Weile! Und falls wir zu der Einsicht kommen, daß wir nicht zusammenpassen, dann können wir es wenigstens ...«
    »Dann können wir es wenigstens mit Anstand beenden?«
    »So in der Richtung.«
    »Was mich betrifft, ich muß nicht lange überlegen. Aber du nimm dir Zeit, R.J.! Ich hoffe ...«
    Sie berührte das sanfte, vertraute und gleichzeitig so fremde Gesicht »Ich hoffe es auch. Ich brauche dich, David. Oder jemanden wie dich«, fügte sie zu ihrer eigenen Überraschung hinzu.

Das Arrangement
    Als R.J. an diesem Abend von der Praxis nach Hause kam, empfing sie der köstliche Duft eines brutzelnden Lammbratens. Es war unnötig, im Ort Davids Rückkehr bekanntzugeben, das erkannte sie. Wenn er bei »Sotheby's« gewesen war, um das Lamm zu kaufen, wußte jetzt fast die ganze Gemeinde, daß er wieder da war.
    Er hatte ein großartiges Essen gekocht: kleine Karotten und junge Kartoffeln in der Bratensoße gegart, Maiskölbchen in Butter, Blaubeerkuchen. Er wusch ab, während sie in ihr Zimmer ging und den Karton aus dem obersten Fach ihres Schrankes holte.
    Als sie ihm den Karton hinstreckte, wischte er sich die spülwasserfeuchten Hände ab und trug ihn zum Küchentisch. Sie merkte, daß er

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