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Medicus 03 - Die Erben des Medicus

Titel: Medicus 03 - Die Erben des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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geschlossen. Sie hatte dem Rebbe vier Kinder geschenkt, und danach war es Gottes Wille gewesen, daß sie keine mehr bekommen konnte. Die beiden hatten drei Söhne, zwei davon lebten in Israel.
    Label Ben Shlomo war ein Gelehrter in einem Studienhaus in Mea-Shearim, Pincus Ben Shlomo war Rabbi einer Gemeinde in Petakh Tikva. Ihr Jüngster, Irving Moscowitz, verkaufte in Bloomington, Indiana, Lebensversicherungen. »Mein schwarzes Schaf.«
    »Und das vierte Kind?«
    »Eine Tochter, Leah. Sie starb mit zwei Jahren. An Diphtherie.«
    Ein kurzes Schweigen entstand. »Und du? Hast du Kinder?«
    Da brach das ganze Elend aus mir heraus, und ich war nicht nur gezwungen, mich ihm zu stellen und über es nachzudenken, ich mußte es auch noch in Worte fassen.
    »Aha. Dann ist es also eine Tochter, für die du das Kaddisch sprichst.« Sie nahm meine Hand. Wir bekamen feuchte Augen, und ich wollte unbedingt gehen. Doch sie machte sofort Tee und nötigte mir Mandelbrot und kandierte Karotten auf.
    Am nächsten Morgen stand ich sehr früh auf, als die beiden noch schliefen. Ich machte mein Bett, legte Geld und einen Dankesbrief auf den Tisch und schlich mich mit meinem Koffer zum Auto, während die Stoppelfelder noch von der Dunkelheit verhüllt wurden.
    Die ganze heilige Zeit über war ich betrunken - in einer Absteige in Windham, in einem windschiefen Ferienblockhaus in Revenna. Nachdem ich in einem Motel in Cuyahoga Falls drei Tage lang durchgetrunken hatte, sperrte der Manager mit seinem Nachschlüssel mein verriegeltes Zimmer auf und setzte mich auf die Straße. Bis zum Abend war ich nüchtern genug, um nach Akron zu fahren, wo ich das heruntergekommene alte »Majestic Hotel« fand, ein Opfer des Motel-Zeitalters. Das Eckzimmer im zweiten Stock war voller Staub und brauchte einen neuen Anstrich. Von einem Fenster aus sah ich den Rauch einer Gummifabrik, vom anderen das braune Band des Muskingum River. In diesem Hotel verkroch ich mich für acht Tage. Ein Page namens Roman brachte mir Schnaps, wenn er mir ausging. Das Hotel hatte keinen Zimmerservice. Roman ging irgendwohin - vermutlich ziemlich weit, weil er immer so lange brauchte -, um schlechten Kaffee und fettige Hamburger zu besorgen. Ich gab ihm großzügige Trinkgelder, damit er mich nicht ausraubte, wenn ich betrunken war.
    Ich habe nie erfahren, ob Roman der Vor- oder der Familienname des Pagen war.
    Eines Nachts wachte ich auf und wußte, daß jemand im Zimmer war.
    »Roman?«
    Ich schaltete das Licht an, aber im Zimmer war niemand.
    Ich sah sogar in der Dusche und im Schrank nach. Als ich das Licht ausschaltete, spürte ich wieder, daß jemand im Zimmer war.
    »Sarah?« sagte ich schließlich. »Natalie? Bist du das, Nat?«
    Niemand antwortete.
    Da kannst du ja ebensogut nach Napoleon oder Moses rufen, dachte ich verbittert. Aber die Gewißheit, daß ich nicht allein im Zimmer war, wurde ich einfach nicht los.
    Wer oder was immer da war, hatte nichts Bedrohliches an sich.
    Ich ließ das Licht ausgeschaltet, lag im Dunkeln da und dachte an die Diskussion im Studienhaus. Reb Yehuda Nahman hatte Gelehrte zitiert, die geschrieben hatten, daß die geliebten Verstorbenen nie weit weg seien und daß sie sich für die Belange der Lebenden interessierten.
    Ich griff nach der Flasche, und plötzlich überfiel mich der Gedanke, daß meine Frau und meine Tochter mich beobachteten, mich schwach und selbstzerstörerisch in diesem elenden, nach Kotze stinkenden Zimmer sahen. Ich hatte genug Alkohol in mir, um auch so nach einer Weile in einen tiefen, umnebelten Schlafzufallen.
    Als ich aufwachte, spürte ich, daß ich wieder allein war, aber ich lag auf dem Bett und erinnerte mich genau an die Nacht. Später an diesem Tag fand ich ein Türkisches Bad, wo ich mich im Dampf auf einer Bank ausstreckte und stundenlang den Alkohol aus mir herausschwitzte. Danach brachte ich meine verschmutzten Kleider in einen Waschsalon. Während sie im Trockner rotierten, ging ich zu einem Friseur und bekam einen sehr schlechten Haarschnitt verpaßt, doch ich fand es an der Zeit, dem Pferdeschwanz Lebewohl zu sagen, endgültig erwachsen zu werden und mich zu ändem.
    Am nächsten Morgen stieg ich in mein Auto und verließ Akron. Ich war nicht überrascht, daß das Auto mich rechtzeitig zum Minjan nach Kidron zurückbrachte, denn dort fühlte ich mich sicher.
    Die Gelehrten begrüßten mich herzlich. Der Rebbe lächelte und nickte, als wäre ich nur kurz weg gewesen, um etwas zu erledigen. Er sagte,

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