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Medicus 03 - Die Erben des Medicus

Titel: Medicus 03 - Die Erben des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Entschlossenheit gebraucht, bis Andy stubenrein war, und auch danach verlor der Welpe noch manchmal, wenn er aufgeregt war, die Kontrolle über seine Blase. Wenn sie ihn allein im Haus ließ, hatte er im Keller neben dem Heizbrenner ein weiches Lager. Silvester feierte sie alleine mit ihrem Hund. Sie hatte keine Verabredung und bemühte sich einige Stunden lang, nicht in Selbstmitieid zu versinken. Schließlich saß sie mit Andy, der es sichtlich genoß, neben ihrem Sessel vor dem Feuer zu liegen, im Wohnzimmer und prostete ihm mit Kakao zu. »Auf uns, Andy! Auf die alte Dame und ihren Hund«, sagte sie zu ihm. Aber Andy war bereits eingeschlafen.
    Die alljährliche Grippe- und Erkältungswelle schwappte über das Land, und das Wartezimmer war voll mit Hustenden und Schniefenden. R.J. hatte es zwar geschafft, sich nicht anzustecken, aber sie fählte sich erschöpft und reizbar, ihre Brüste spannten noch immer, und die Muskeln schmerzten.
    Am Montag ging sie in der Mittagspause in die kleine Gemeindebibliothek, um ein Buch zurückzugeben, und plötzlich ertappte sie sich dabei, wie sie Shirley Benson, der Bibliothekarin, unverwandt ins Gesicht starrte.
    »Wie lange haben Sie dieses schwarze Mal da an Ihrem Nasenflügel schon?«
    Shirley verzog das Gesicht. »Ein paar Monate. Häßlich, nicht wahr? Ich habe es eingeweicht und versucht, es auszudrücken, aber nichts scheint zu helfen.«
    »Ich werde Mary Wilson sagen, daß sie für Sie unverzüglich einen Termin bei einem Dermatologen ausmachen soll.«
    »Nein, das will ich nicht, Dr. Cole.« Sie zögerte und wurde rot »Ich kann es mir nicht leisten, fär so was Geld auszugeben. Ich bin ja hier nur Teilzeitkraft, die Gemeinde bezahlt mir deshalb keine Krankenversicherung. Mein Junge ist in der Abschlußklasse der High-School, und wir machen uns wirklich Sorgen, wie wir fär ihn das College finanzieren sollen.«
    »Ich befürchte, daß es sich bei Ihrem Mal möglicherweise um ein Melanom handelt, Shirley. Vielleicht täusche ich mich, dann haben Sie das Geld zum Fenster hinausgeworfen. Aber wenn ich recht habe, könnte es sehr schnell zu Metastasenbildungen kommen. Und ich bin mir sicher, Sie wollen erleben, daß Ihr Sohn aufs College geht«
    »Na gut.« Shirleys Augen glitzerten feucht. R.J. wußte nicht, ob es Tränen der Angst waren oder Tränen der Wut über ihre despotische Art. Am Mittwoch vormittag war in der Praxis viel zu tun. Einige Patienten waren zur alljährlichen Generaluntersuchung gekommen, und bei der Diabetikerin Betty Patterson mußte R.J. die medikamentöse Behandlung umstellen, da sie zu Infektionen neigte. Danach besprach sie mit Sally Howland, die an Herzjagen litt, die Ergebnisse ihres EKGs. Polly Strickland hatte einen Termin, weil sie sich wegen ungewöhnlich starker Monatsblutungen Sorgen machte. Sie war fünfundvierzig Jahre alt »Es könnte der Beginn der Wechseljahre sein», sagte R.J. »Ich habe gedacht, da hören die Perioden auf.«
    »Manchmal werden sie ganz zu Anfang erst sehr heftig und kommen dann unregelmäßiger. Es gibt die verschiedensten Abläufe. Nur bei wenigen Frauen hört die Menstruation einfach auf, als würde man einen Hahn abdrehen.«
    »Die Glücklichen!«
    »Ja...«
    Bevor sie in die Mittagspause ging, las sie noch einige Pathologieberichte. Darunter auch einen, aus dem sie erfuhr, daß es sich bei dem von Shirley Bensons Nase entfernten Mal um ein Melanomgehandelt hatte.
    Nach der Sprechstunde verspürte sie plötzlich Hunger, und sie fuhr zu dem Restaurant in Shelburae Falls, wo sie einen Spinatsalat bestellte. Doch dann änderte sie ihre Meinung und bat noch im gleichen Atemzug die Kellnerin, ihr ein großes Lendensteak, medium, zu bringen.
    Sie aß das Fleisch mit Kartoffelbrei, Kürbisgemüse, einem griechischen Salat und Brötchen, und danach bestellte sie Apfelkuchen und Kaffee.
    Auf der Rückfahrt nach Woodfield kam ihr der Gedanke, sich einmal zu überlegen, was sie tun würde, wenn eine Patientin zu ihr käme mit den Symptomen, die sie seit einigen Wochen an sich beobachtete: Gereiztheit und Stimmungsschwankungen, Muskelschmerzen, ein wölfischer Appetit, ein Spannen in den Brüsten und Berührungsempfindlichkeit sowie ausgebliebene Monatsblutung.
    Der Gedanke war absurd. Jahrelang hatte sie versucht, ein Kind zu empfangen, doch ohne den geringsten Erfolg.
    Trotzdem.
    Sie wußte, was sie tun würde, wenn sie eine ihrer Patientinnen wäre, und deshalb fuhr sie nicht nach Hause, sondem zur Praxis und parkte

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