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Medicus 03 - Die Erben des Medicus

Titel: Medicus 03 - Die Erben des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Regenwolken, die ein Gewitter versprachen. Sie hatte geglaubt, es würde sie froh machen, das Haus endlich zu verlassen, aber in den letzten Tagen, als einige Möbel verkauft und andere eingelagert wurden und wieder andere an Tom gingen als Stück für Stück hinausgetragen wurde, bis der Klang ihrer hochhackigen Schuhe durch die leeren Zimmer hallte -, betrachtete sie das Haus mit dem nachsichtigen Blick eines ehemaligen Besitzers und sah, daß Tom eigentlich recht gehabt hatte, was seine Ausstrahlung und seine Pracht anging. Sie ging ungern, trotz ihrer gescheiterten Ehe. Dann aber fiel ihr ein, daß dieses Haus wie ein Faß ohne Boden gewesen war, in das sie ihr Geld geschüttet hatten, und sie schloß gern die Tür hinter sich und fuhr die Auffahrt hinunter, vorbei an der Ziegelmauer, die zu einem Teil noch immer renovierungsbedürftig war. Doch dafür war sie nicht mehr verantwortlich.
    Ihr war klar, daß sie ins Ungewisse fuhr. Auf der ganzen Fahrt nach Woodfield grübelte sie über die wirtschaftlichen Fragen einer Arztpraxis nach, aus Angst, sie könnte einen entscheidenden Fehler machen.
    Seit Tagen schon ging ihr eine Idee nicht mehr aus dem Kopf. Angenommen, sie würde ihre Praxis ausschließlich auf Barzahlungsbasis führen und wäre somit in der Lage, die Krankenversicherungen zu ignorieren, von denen ja meistens der Ärger ausging, der den Beruf oft so unerfreulich machte? Wenn sie ihr Honorar für einen Behandlungstermin drastisch senken würde - auf zwanzig Dollar etwa -, ob dann so viele Patienten kämen, daß ihr finanzielles Auskommen gesichert war?
    Einige würden kommen, das wußte sie, Kranke, die nicht versichert waren. Aber würden auch solche, die an ihre Krankenkasse regelmäßig Beiträge zahlten, vergessen, daß sie eine Versicherungspolice besaßen, und freiwillig in Dr. Coles Praxis Bargeld auf den Tisch blättern?
    Leider mußte sie sich eingestehen, daß die meisten das nicht tun würden. Sie beschloß, ein inoffizielles Honorar von zwanzig Dollar für jene festzusetzen, die nicht versichert waren. Die Kassen sollten weiterhin die üblichen vierzig bis fünfundsechzig Dollar für den Praxisbesuch eines ihrer Klienten bezahlen, je nach der Komplexität ihres Problems und mit dem entsprechenden Aufschlag für Hausbesuche. Umfassende körperliche Untersuchungen wollte sie mit fünfundneunzig Dollar in Rechnung stellen und alle Laborarbeiten vom Medical Center in Greenfield durchführen lassen.
    Zwei Wochen vor der offiziellen Praxiseröffnung gab sie Toby den Auftrag, alle Formulare der Krankenkassen in den Computer einzugeben. Ein Hauptteil der Abrechnungen würde mit den fünf größten Versicherungsgesellschaften abgewickelt werden, aber es gab auch noch fünfzehn andere, bei denen viele Patienten versichert waren, dazu etwa fünfunddreißig noch kleinere und unbedeutendere. Die Daten sämtlicher Kassen mußten im Computer abgespeichert sein, eine Vielzahl von Formularen jeder Gesellschaft. Das mühselige Eingeben war zwar eine einmalige Arbeit, aber R.J. wußte aus Erfahrung, daß der Bestand ständig aktualisiert werden mußte, da die Gesellschaften Formulare auslaufen ließen, umgestalteten und durch neue ersetzten.
    Dies stellte einen beträchtlichen Aufwand dar, ein Problem, mit dem sich ihr Urgroßvater nicht hatte herumschlagen müssen.
    Montag morgen.
    Sie war schon früh in der Praxis, und das hastig hinuntergestürzte Frühstück aus Toast und Tee wurde in ihrem Magen zu einem kalten Klumpen Nervosität. Die Praxis roch nach Farbe und Firnis. Toby war bereits bei der Arbeit, und Peggy kam zwei Minuten später. Die drei grinsten einander dümmlich an.
    Das Wartezimmer war klein, aber plötzlich wirkte es riesig auf R.J., verlassen und leer.
    Nur dreizehn Leute hatten sich einen Termin geben lassen. Wer zweiundzwanzig Jahre ohne Arzt am Ort ausgekommen ist, hat sich wahrscheinlich daran gewöhnt, daß man für einen Arztbesuch in die nächste Stadt fahren muß, sagte sie sich. Und wer als Patient erst einmal eine Beziehung zu einem Arzt aufgebaut hat, wird so schnell nicht zu einem anderen gehen.
    Was ist, wenn niemand kommt? fragte sie sich und merkte sofort, daß das unvernünftige Panik war.
    Ihr erster Patient traf fünfzehn Minuten vor seinem Termin ein: George Palmer, zweiundsiebzig Jahre alt, ein pensionierter Sägewerksarbeiter mit einer schmerzenden Hüfte und drei Stummeln, wo eigentlich Finger sein sollten.
    »Morgen, Mr. Palmer!« sagte Toby gelassen, als würde sie

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