Medicus 03 - Die Erben des Medicus
Herzform. Es waren auch Kristalle darunter, die sie überhaupt nicht kannte. »Den da habe ich in der Schaufel des Traktors hertransportiert«, sagte David und zeigte auf ein fast einen Meter großes Granitherz, das in einer Ecke lehnte. »Sechs Meilen weit, von Frank Parsons Wald. Wir mußten ihn zu dritt ins Haus schleppen.«
»Sie findet sie einfach so im Boden?«
»Sie findet sie überall. Sie hat irgendwie einen Blick dafür. Ich finde fast nie einen. Sarah ist streng, sie sortiert viele Steine aus.
Ein Herzstein ist für sie nur einer, der wirklich Herzform hat.«
»Vielleicht sollten Sie genauer hinsehen. Da draußen gibt's Abermillionen Steine. Ich wette, daß ich für Sarah ein paar Herzsteine finden kann.«
»Glauben Sie wirklich? Sie haben noch fünfundzwanzig Minuten, bis ich das Essen serviere. Um was wetten Sie?«
»Um eine Pizza mit allem. Fünfundzwanzig Minuten sollten reichen.«
»Wenn Sie gewinnen, kriegen Sie eine Pizza. Wenn ich gewinne, kriege ich einen Kuß.«
»He!«
»Was ist denn, haben Sie Angst? Ihr Mund gegen mein Geld.«
Er lachte sie herausfordernd an.
»Abgemacht.«
Im Hof und auf der Auffahrt hielt sie sich nicht lange auf, da sie davon ausging, daß hier alles bereits gründlich abgesucht war. Die Straße war nicht geteert und voller Steine. Langsam und mit gesenktem Kopf ging R.J. dahin und suchte den Boden ab. Sie hatte gar nicht gewußt, wie unterschiedlich Steine sein konnten, wie viele verschiedene Formen sie hatten, lang, rund, eckig, schmal, flach.
Hin und wieder bückte sie sich und nahm einen Stein in die Hand, aber es war nie ein richtiger Herzstein. Nach zehn Minuten war sie etwa eine Viertelmeile vom Haus entfernt und hatte erst einen Stein gefunden, der entfernt an ein Herz erinnerte, aber eher an ein mißgestaltetes, denn der rechte Bogen war zu flach.
Eine schlechte Wette, dachte sie. Sie wollte unbedingt einen Herzstein finden, denn er sollte auf keinen Fall denken, sie habe mit Absicht verloren.
Nach Ablauf der Frist kehrte sie zum Haus zurück. »Ich habe einen gefunden«, sagte sie und zeigte ihm den Stein.
Er sah ihn an und grinste. »Diesem Herz fehlt... wie heißt die obere Kammer?«
»Vorhof.«
»Ja. Diesem Herz fehlt der rechte Vorhof.« Er ging mit dem Stein zur Tür und warf ihn hinaus.
Was jetzt passiert, ist wichtig, dachte sie sich. Wenn er die Wette dazu ausnutzte, den Macho herauszukehren, entweder mit einem Klammergriff oder einem Zungenkuß, dann hatte sie kein Interesse mehr an ihm.
Aber er beugte sich zu ihr und berührte ihren Mund nur ganz sanft mit seinen Lippen, ein Kuß, der sehr zärtlich war und unglaublich süß.
Ooh.
Er servierte ihr ein einfaches, aber wunderbares Abendessen: einen großen, knackigen Salat mit Zutaten aus seinem eigenen Garten, bis auf die Tomaten, die stammten aus dem Laden, denn die seinen waren noch nicht reif. Angemacht war er mit einer Spezialität des Hauses, einem Honig-Miso-Dressing, und garniert mit Spargel, den sie erst kurz vor dem Essen gemeinsam gestochen und gedünstet hatten. Der Salat war verfeinert mit Sprossen, einer, wie er ihr versicherte, geheimen Mischung aus Samen und Gemüseschößlingen, und dazu gab es frischgebackene, knusprige Brötchen, durchzogen von winzigen Knoblauchstückchen, die beim Kauen kleine Aromaexplosionen auslösten.
»Mann! Du kannst vielleicht kochen!«
»Ich probier nur gern herum.«
Als Nachtisch gab es selbstgemachtes Vanilleeis mit einem Blaubeerkuchen, den er an diesem Vormittag gebacken hatte. Dabei erzählte sie ihm von der religiösen Vielfalt in ihrer Sippe. »Es gibt protestantische Coles und Regensbergs, die Quäker sind. Und jüdische Coles und jüdische Regensbergs. Und Atheisten. Und meine Cousine Marcella Regensberg ist eine Franziskanerin in einem Kloster in Virginia. Wir haben ein bißchen was von allem.«
Bei der zweiten Tasse Kaffee erfuhr sie etwas über ihn, das sie erstaunte. Die mysteriöse Diplomarbeit hatte er am Jewish Theological Seminary of America in New York fertiggestellt.
»Dann bist du was?«
»Ein Rabbi. Zumindest habe ich ein Rabbinerdiplom. Aber das ist schon lange her. Meinen Dienst versehen habe ich nur sehr kurz.«
»Warum hast du aufgehört? Hattest du eine Gemeinde?«
»Ich, hm...« Er zuckte die Achseln. »Mich beschäfägten viel zu viele Fragen und Unsicherheiten, um eine Gemeinde zu übernehmen. Ich hatte begonnen zu zweifeln, war mir nicht mehr sicher, ob es nun einen Gott gibt oder nicht. Und ich war
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